piwik no script img

Selbstverwaltetes KulturzentrumWinnetou allein zu Haus

Die Jugendlichen im Kulturzentrum Hotel am Kalkberg in Bad Segeberg wehren sich weiter gegen den Abriss des Gebäudes. Doch die Fronten sind verhärtet.

Bastion der Subkultur: das Hotel am Kalkberg in Bad Segeberg. Bild: HaK-Trägerverein

BAD SEGEBERG taz | Die Wände sind bunt im Hotel am Kalkberg, voll mit Flyern, Postern, Zeichnungen. Der Türrahmen ist weinrot, ebenso wie die Heizung, die seit Wochen nicht mehr geht. Neben der Heizung stehen sechs Jugendliche und blicken ernst in die Kamera des Pressefotografen. Gerade haben sie eine Pressekonferenz veranstaltet im Hotel am Kalkberg, das seit über zehn Jahren ein selbst verwaltetes Jugendkulturzentrum ist und der einzige Ort für Subkulturelles in der Karl-May-Festspielstadt Bad Segeberg. Zum 31. Dezember hat die Stadt dem Trägerverein den Nutzungsvertrag für die Immobilie gekündigt. Am 3. Januar hätte der Vereinsvorstand den Schlüssel abgeben sollen. Doch das tat er nicht - und sagt statt dessen: "Wir erkennen die Kündigung nicht an."

Die Jugendlichen haben sich einen Anwalt genommen, der sie bei der von der Stadt angekündigten Räumungsklage vertreten wird. Außerdem wollen sie ein Bürgerbegehren starten, sagt Tim Sünram, der seit 2006 im Verein aktiv ist. "Wir brauchen 1.200 Unterschriften." Es ist die letzte Chance für das Hotel am Kalkberg: Der Abriss des Gebäudes ist von den Stadtverordneten beschlossen. Einen alternativen Ort für die rund 200 Jugendlichen, die das Haus nutzten, hat die Stadt nicht angeboten.

Das Jugendzentrum soll abgerissen werden, weil "es heruntergewirtschaftet ist", sagt Bad Segebergs SPD-Bürgermeister Dieter Schönfeld. Er wirft den Jugendlichen "Vandalismus und Disziplinlosigkeit" vor. Außerdem sagt Schönfeld, der Vorstand des Trägervereins erfülle seine vertraglichen Pflichten nicht. Die Leute vor Ort seien "junge Menschen, die ihr eigenes Leben kaum im Griff haben". Hilfe von der Stadt, unter anderem eine Jugendpflegerin, hätten die Leute vom Jugendzentrum abgewiesen. Zu den Beiratssitzungen, in denen die Zukunft des Zentrums besprochen werden sollte, seien sie nicht erschienen.

Es klingt angespannt, wenn Schönfeld darüber spricht. Beim Konflikt um das Hotel am Kalkberg sind viele Emotionen im Spiel, bei allen Beteiligten. Die Leute vom Jugendzentrum haben unter anderem von den Bad Segeberger Jusos und von der ebenfalls selbst verwalteten Roten Flora in Hamburg Solidaritätsbekundungen bekommen. Außerdem gibt es eine Initiative der Eltern, die sich in einem offenen Brief an Bürgermeister Schönfeld gewandt haben.

Die Sicht des Jugendzentrums auf den Konflikt ist genau konträr zu der des Bürgermeisters. "Die Behauptung des Bürgermeisters, Hilfe würde nicht angenommen, weisen wir entschieden zurück", schreibt das Zentrum. Es gebe "eine gute Zusammenarbeit mit der Stadt-Jugendbeauftragten". Die Probleme mit der Heizung habe man sofort beheben wollen, habe aber das Geld nicht gehabt. Im Haus habe man in all den Jahren für viele tausend Euro Schallschutzwände gemauert, sanitäre Anlagen gebaut, Notausgänge eingerichtet. Unter anderem.

Die Verhandlungen um die Zukunft des Hotel am Kalkberg seien nicht konstruktiv verlaufen, sagt Sünram. "Sie bestanden nur darin, uns zu sagen, was wir alles falsch machen." Die verweigerte Schlüsselrückgabe solle keine Besetzung sein und man hoffe weiter auf konstruktive Verhandlungen, zu denen man den Bürgermeister einlade.

Dazu aber wird es aller Voraussicht nach nicht kommen. Bürgermeister Dieter Schönfeld verweist auf vergangene Gesprächsangebote und darauf, dass der Beschluss der Stadt gefällt sei. Die Kosten für den Abriss sind bereits in den Haushalt eingestellt. Ein alternativer Ort für die Klientel des Hauses sei nicht nötig, sagt Schönfeld: "Die Stadt hat genügend andere Jugendzentren."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • M
    mamabo

    @ jonas

     

    ja, so sieht´s aus, aber ... auch etwas anders.

    der mensch "schimpft" sich nicht politiker, sondern verwaltungsfachwirt. als verwaltungsfachwirt hat er 18 lange jahre an der spitze der verwaltung in gettorf gestanden ... und ein großes, teures altenheim bauen lassen. das, und seine hinterzimmerdemokratie mit auserwählten, hat ihm eine wiederwahl mit 89,5% der wählerstimmen in gettorf eingebracht (auf vorschlag aller fraktionen!, s."backbord", Sozialdemokratische Bürgerzeitung Schleswig Nr.77 2007). dass er damit der gemeinde ein großes strukturelles defizit bescherte, hat ihm dabei nicht geschadet. genützt hat es ihm aber auch nichts. cdnn seine stelle ist trotzdem im zuge der kommunalreform wegrationaisiert worden. aber mit dem spd-parteibuch in der tasche hat er dann seine 2. chance in bad segebeg gekriegt.

    hier drohen nun nun ähnliche wahlergebnisse wie in gettorf zuvor - mit der cdu auf den lippen, dem bbs im rücken... schlimmer noch, mit dem rausschmiss der jugend ist bad segeberg auf dem besten weg ein ganz besonders ehrgeiziges Modellprojekt zu werden: "das beste im norden": die erste einschlafstadt "zur ew´gen ruh".

    ob er dafür nicht noch segen der kirche kriegt?

  • M
    mamabo

    @alice

    Woher wissen Sie denn, dass die jungen Leute erst 5 Wochen vor Schluss den Hintern hochgekriegt haben ... und die Heizung koppheister haben gehen lassen? Glauben Sie alles, was die Hofberichterstattung vor Ort als BGM Schönfelds "Wahrheit" verbreitet? Wer will, kann sich eine eigene Meinung bilden. Dazu müsste er nur selbst einmal in die Protokolle der Stadtvertretung und vom Hak-Beirat schauen. Demnach sind die HaKis monatelang damit beschäftigt worden, dem BGM Konzepte und Finanzpläne vorzulegen. Gleichzeitig verhandelte er mit einem Parkhausinvestor, der nicht einmal geschäftsfähig war. Und so einer darf in aller Öffentlichkeit unwidersprochen behaupten, die jungen Leute kriegten nichts auf die Reihe?

  • A
    Alice

    Wer jahrelang nix auf die Reihe kriegt und wem erst fünf Wochen vor Ablauf des Vertrags einfällt "Oh, in fünf Wochen is ja Schluss, vielleicht sollten wir unsere hintern doch mal hoch kriegen und gegen die Kündigung angehen" und wer dann noch den vollgelaufenen Keller erst ne Woche später trockenlegt, nachdem die Heizung schon kapeister gegangen ist, der hat halt Pech gehabt!

  • J
    Jonas

    Ich verfolge dieses Affanteather auch schon seit längerem und kann meinen Vorschreibern nur recht geben.

    Es ist ein Trauerspiel und reichlich kindisch sich weiteren Treffen mit den Jugendlichen ,die ja nicht zusammen mit ihrem Haus abgerissen werden , zu entziehen. Dieser Mensch schipft sich Politiker, doch scheint er noch nicht so ganz verstanden zu haben, dass er neben der Jugend auch zukünftige Wähler und Stadtvertreter gegen sich aufbringt. Wahrhaftig ein inkompetenter Dilletant.

    Es ist schade das der Horizont schon bei Fussballverein und Jugendfeuerwehr zu enden scheint.

    Die Jugend möchte sich gerne um sich selbst kümmern und damit Eigeninitiative und Zusammenhalt erlernen und stärken. Nebenbei werden der Stadt imense kosten erspart.

    Anstatt diese Arbeit mit ca.1000€ monatlich zu stützen wollen die Stadtvertreter lieber eine neue Promenade für 2Mio.Euro bauen.

    So siehts aus in Bad Segeberg.

    Traurig!

  • H
    Hann0s

    Was für ein inkompetenter Bürgermeister. Inhalt hin oder her, es dazu kommen lassen das man öffentlich als Jugendzentrumabreißer dasteht ist ein PR-Supergau der nicht geschehen darf. Typisch SPD, inhaltlich genauso dumm wie der Rest der Parteien, dabei aber deutlich dilletantischer inner Außendarstellung.

  • VI
    Verrat ich nicht

    Und selbst wenn alle Jugendlichen dort Chaoten sein sollten, dann stehen die jetzt auf der Straße. Ob das so im Willen des Bürgermeisters ist...

  • A
    Andy

    Geben die auch noch Geld aus um das Haus abzureißen anstatt es stehen zu lassen. Was für 'ne scheiss Stadt!

  • ES
    Ex Segeberger

    Es ist ein Trauerspiel. Ohne Mitglied des Vereins oder häufiger Gast des Hotels am Kalkberg zu sein, habe ich dennoch erlebt, wie unakzeptabel sich die Bad Segeberger Politik in hinsicht auf ihre ungeliebte Subkultur aufführt.

    Von Jugendlicher Seite wird gearbeitet, gebaut, verhandelt, informiert, diskutiert, es werden Konzerte organisiert, deren Erlös genutzt wird, daus Gebäude zu sanieren und die Forderungen der Stadt zu erfüllen.

     

    Der Stadt ist all das herzlich egal, die Forderung hieß seit langem, man solle die Selbstverwaltung aufgeben, oder das HaK werde abgerissen. Diese "Alternativen" sind keine.