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Selbstmordattentat in KabulAbermals Indien

In Kabul gab es mindestens 17 Tote und 80 Verletzte bei einem Anschlag auf die indische Botschaft. Indien selbst hat keine Truppen in Afghanistan, ist aber sechstgrößter Entwicklungshilfe-Geber.

Das Auto, in dem die Bombe hochging, ist nur noch ein Wrack. Genauso die umstehenden Gebäude. Bild: ap

BERLIN taz/afp/ap | Bei einem erneuten Selbstmordanschlag auf die indische Botschaft in Afghanistans Hauptstadt Kabul sind am Donnerstag Morgen mindestens 17 Personen getötet worden. Laut dem Innenministerium, das sich in direkter Nachbarschaft befindet, starben durch eine Autobombe vor der Botschaftsmauer 15 Zivilisten und zwei Polizisten. Fast 80 Personen wurden verletzt. Die Taliban bekannten sich auf einer Internet-Seite ohne Angaben von Gründen zu der Tat. Laut UN war dies bereits der fünfte Anschlag in Kabul seit August.

Bereits im Juli 2008 starben bei einem Anschlag auf Indiens Kabuler Botschaft rund 60 Personen, darunter zwei indische Diplomaten. Die neuerliche Bombe soll eine vergleichbare Zerstörungskraft gehabt haben, doch waren seitdem die Sicherheitsmaßnahmen erheblich verschärft worden. Die damaligen Attentäter hatten nach indischen und US-Einschätzungen Kontakte zum pakistanischen Militärgeheimdienst ISI. Indien hat keine Truppen in Afghanistan, ist aber sechstgrößer Entwicklungshilfegeber am Hindukusch. Pakistan ist das dortige Engagement seines Rivalen ein Dorn im Auge, weil Islamabad Afghanistan als eigenen Hinterhof ansieht.

In der Nacht zuvor wurde bei einem Gefecht mit mutmaßlichen Taliban-Kämpfern in Kabuls Nachbarprovinz Logar ein Kind getötet. Amerikanische und afghanische Soldaten wurden nach US-Angaben aus einem Gebäude heraus beschossen. Sie hätten die Menschen darin mehrfach aufgefordert, herauszukommen. Als dies nicht geschah, sei das Haus gestürmt worden. Dabei seien Taliban-Kämpfer und ein Taliban-Kommandeur getötet worden. Ein angeschossenes Kind sei später gestorben.

Die Taliban haben wiederholt Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutzt. Doch nahmen auch die internationalen Truppen schon mehrfach den Tod von Zivilisten in Kauf. Geht es nach der neuen Doktrin von Stanley McChristal, dem US- und Nato-Kommandeur in Afghanistan, soll der Schutz der Bevölkerung absolute Priorität haben vor der Vernichtung feindlicher Kämpfer.

Der UN-Sondergesandte für Afghanistan, Kar Eide, hat derweil sein Verhalten zu den Vorwürfen massiver Wahlfälschungen verteidigt. Er wies eine Parteinahme zugunsten Präsident Hamid Karsais, den sein vergangene Woche entlassener Stellvertreter Peter Galbraith erhoben hatte, in einem Brief an UN-Diplomaten als "Unsinn" von sich. Er habe, so in einem Brief zu lesen, UN-Daten über massiven Wahlbetrug zurückgehalten, "nicht weil sie unangenehm für Karsai, sondern weil sie schwierig zu überprüfen gewesen sind".

Galbraith hatte Eide vorgeworfen, Betrugsvorwürfe unter den Teppich zu kehren und seinen Mitarbeitern deren Diskussion zu verbieten. Laut Galbraith wurden bis zu einem Drittel der Stimmen gefälscht. Am Mittwoch zitierte die Washington Post ein internes UN-Papier, das massiven Betrug dokumentiert. So seien etwa in der Südprovinz Helmand 134.804 Stimmen gezählt worden, davon 112.873 für Karsai.

Nach UN-Schätzungen hätten aber nur maximal 38.000 Personen gewählt, womöglich gar nur 5.000. In Provinzen, in denen Karsais Rivale Abdullah Abdullah vorn lag, seien hingegen weniger Stimmen gezählt als abgegeben worden. Galbraith und Eide hatten sich über den Umgang mit dem Wahlbetrug zerstritten. Kabuls Beschwerdekommission prüft derzeit mit UN-Beteiligung stichprobenartig mehrere hundert Urnen. Es wird erwartet, dass nächste Woche Karsais Sieg schon im ersten Wahlgang bestätigt wird. Eide sagt, er habe nicht mehr tun können, als Informationen der Kommission zu geben. Galbraith habe sie aushebeln wollen.

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