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Selbstmord mit entwundener Waffe?

■ Der Leiter der Rechtsmedizin in Düsseldorf sieht Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Tötung des RAF-Mitglieds Grams in Bad Kleinen / Auf Schweizer Gutachten gestützte Selbstmordthese unhaltbar

Berlin (taz) – Neue Zweifel an der von Amts wegen verbreiteten These vom Selbstmord des RAF- Mitglieds Wolfgang Grams: Der Direktor des rechtmedizinischen Institutes der Düsseldorfer Universität, Wolfgang Bonte, will eine „Fremdtäterschaft“ beim Tod des 40jährigen auf dem Bahnhof in Bad Kleinen nicht ausschließen. Beim Versuch, die RAF-Mitglieder Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld festzunehmen, war es am 27. Juni 93 zu einer wilden Schießerei gekommen, in deren Verlauf der GSG-9-Beamte Newrzella und Grams erschossen wurden.

In einem Gutachten, das der Rechtsmediziner im Auftrag der Eltern von Grams erstellt hat, widerspricht Bonte den Expertisen des rechtsmedizinischen Institutes der Züricher Universität und des Wissenschaftlichen Dienstes der Züricher Stadtpolizei. Auf deren Berichte gestützt, hat die Bundesregierung in ihrem Abschlußbericht zu Bad Kleinen kategorisch eine „Fremdtötung“ oder eine „Selbsttötung infolge eines Unfalles“ ausgeschlossen. Auf Grund dieser Berichte sind auch die Ermittlungsverfahren gegen zwei GSG-9-Beamte wegen des Verdachts einer vorsätzlichen Tötung eingestellt worden.

Der Düsseldorfer Mediziner glaubt nachweisen zu können, daß dem bereits am Boden liegenden Grams die Waffe aus seiner Hand entwunden worden sein muß. Im Gegensatz dazu steht die Auffassung der Bundesregierung, wonach Grams seine Pistole fallen ließ, nachdem er sich den tödlichen Kopfschuß selber beigebracht hat.

Bonte stützt seine Aussage auf eine bogenförmige Hautabschürfung, die am rechten Handrücken des Getöteten festgestellt wurde. Diese lasse sich widerspruchsfrei „im Rahmen eines Entwindungsgriffes erklären“. Aussehen und Form der Verletzung habe er im Experiment in „weitestgehender Annäherung“ reproduzieren können. Die Bonner Selbstmordversion ist dem Rechtsmediziner suspekt: Der „Rückschluß auf eine Selbsttäterschaft ist wissenschaftlich nicht haltbar“. Bontes Gutachten wollen die Rechtsanwälte der Familie Grams heute veröffentlichen. Die Anwälte Andreas Groß und Thomas Kieseritzky fordern, daß die zuständigen Staatsanwälte in Schwerin die Ermittlungen wiederaufnehmen. Wesentliche Ergebnisse des Gutachtens hat Der Spiegel in seiner jüngsten Ausgabe veröffentlicht.

Der Leiter der Düsseldorfer Rechtsmedizin zieht auch andere Schlüsse der Eidgenossen in Zweifel. Die von der Staatsanwaltschaft beauftragten Kollegen kamen zu dem Ergebnis, alle Schüsse auf Grams – der Kopfschuß ausgenommen – seien aus einer Entfernung von mehr als eineinhalb Metern abgegeben worden. Diese Schlußfolgerung wurde später als entscheidendes Indiz dafür angeführt, daß die Aussage der Bahnhofsverkäuferin Johanna Baron unzutreffend sein muß. Baron will beoachtet haben, wie zwei Beamte aus unmittelbarer Nähe auf den am Boden liegenden Grams geschossen haben. Wolfgang Bonte, im letzten Jahr Präsident der „International Association of Forensic Sciences“, hält diese Folgerung der Schweizer wegen der angewandten Methoden für unhaltbar: „Schüsse aus wesentlich kürzerer Distanz sind keineswegs auszuschließen.“ Wolfgang Gast

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