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„Selbstmord als letztes Fanal“

Eine Spekulation des Stuttgarter Landeskriminalamtes führt zu Überreaktionen in Gefängnissen: Als letztes Mittel könnten die RAF-Gefangenen den kollektiven Selbstmord planen  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Die Rundmeldung des Landeskriminalamtes in Baden-Württemberg klang dramatisch. Nachdem es jüngst zum Bruch zwischen der RAF im Untergrund und ihren inhaftierten GesinnungsgenossInnen gekommen ist, warnten die Stuttgarter Kriminaler, sei nun im Zweifel sogar vorstellbar, daß unter den RAF-Gefangenen „ein Selbstmord als letztes Fanal“ überlegt wird. Die amtliche Warnung führte prompt zu Konsequenzen. Wegen angeblicher Selbstmordgefahr sind die in Lübeck inhaftierten RAF- Gefangenen Irmgard Möller, Cristine Kuby und Hanna Krabbe seit Mittwoch unter ständiger Beobachtung, in Köln und Frankfurt wurden die Zellen der inhaftierten Adelheid Schulz und Eva Haule durchsucht. Vorsichtsmaßnahmen wie in Lübeck, bestätigte gestern das schleswig-holsteinische Justizministerium, seien auch in anderen Bundesländern getroffen worden. Hamburgs Verfassungsschutzchef Ernst Uhrlau erklärte dagegen: „Ich halte die Spekulation über einen kollektiven Selbstmord für Quatsch.“

Nach Angaben der Sprecherin im Kieler Justizministerium, Maren Achsenick, wurde ihre Behörde am späten Mittwoch nachmittag „über Indizien für einen geplanten ,kollektiven Selbstmord‘ von terroristischen Strafgefangenen“ unterrichtet. Aus Gründen der „Vorsorge und Fürsorge“ sei daraufhin angeordnet worden, daß Möller, Kuby und Krabbe „in einem Gemeinschaftsraum in ihrem Hafthaus untergebracht und unter ständige Beobachtung gestellt werden“. Noch am selben Abend seien deren Rechtsanwältinnen über die Maßnahme und deren Begründung verständigt worden.

Die Anwälte der Lübecker Frauen wiesen die Spekulationen über einen geplanten „kollektiven Selbstmord als demonstrativen Akt“ zurück. Von ihren Mandantinnen und den VerteidigerInnen anderer RAF-Gefangener wüßten sie, „daß diese keinen Selbstmord planen und nicht selbstmordgefährdet sind“. Die Unterstellung „und die damit begründeten Repressalien“ bedeuteten für ihre Mandanten eine „Bedrohung und Terrorisierung“. Das Szenario, so die Anwälte weiter, erinnere „an den Tod der Gefangenen in Stammheim 1977, dem auch Gerüchte über angebliche Selbstmordabsichten vorausgingen“.

Die Warnung des Stuttgarter LKA stößt unterdessen bei anderen Sicherheitsbehörden auf Unverständnis. Den Baden-Württembergern werden „exzessive Textexegese“ und Interpretationen mit verheerenden Folgen vorgeworfen, das LKA verbreite „Vermutungen und Spekulationen ohne jeglichen realen Hintergrund“. Im Ländle wird nun eingeräumt, daß die Befürchtungen eher auf „einem theoretischen Ansatz“ als auf einer „konkreten Vorbereitungssituation“ beruhen. Im LKA seien „nach Art eines Mosaikspieles verschiedene Anzeichen zusammengezählt“ worden. Mit der Warnung in Form einer Rundsendung habe man sichergehen wollen, „daß auch ja nichts passiert“.

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