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Selbstmord — bitte mit Katalysator

■ HdK-Studenten gegen Autowerbung/ Zwei Spots in Off-Kinos über »Katalysator« und »Recycling« sollen Umweltverträglichkeitsbehauptungen der Autoindustrie entlarven

Berlin. Die Luft wird immer schlechter, die Straßen sind verstopfter denn je, und dennoch baut die Automobilindustrie immer schnellere, schwerere und gefräßigere Autos. Gleichzeitig werben die Konzerne aber mit der angeblich eigenen ökologischen Verantwortung und dem Umweltbewußtsein der Autofahrer.

Gegen diesen zynischen Propagandafeldzug eröffneten am Dienstag abend die beiden Studenten Isabel Kleefeld (25) und Alexander Kraus (29) in der Aula der Hochschule der Künste (HdK) die Kampagne »Pathos«: Zwei satirische Spots sollen demnächst im Vorprogramm der Off-Kinos gezeigt werden und die Argumentation der Autowerbung konterkarieren.

Der einminütige Anti-Werbestreifen Katalysator beginnt mit dem Satz »Aus Liebe zur Umwelt« (weiß auf schwarzem Hintergrund). Dann verläßt eine Frau ihr Haus und verschwindet in einer Garage. Statt aber mit ihrem Wagen herauszufahren, schließt sie die Tür — kurze Zeit später qualmen Auspuffgase durch die Spalten des Garagentores. Der Satz »Der Katalysator« wird eingeblendet. Noch hört man, daß die Frau immer wieder aufs Gaspedal drückt — der Motor heult auf, dann aber nur noch das ruhige Geräusch des Leerlaufs. Filmende mit dem Slogan »Die saubere Lösung«.

Die zweite Gegenwerbung, Recycling, nimmt die Wiederverwertung aufs Korn. Auf der Intensivstation operieren Ärzte ein Unfallopfer, fischen zwischen Organen körperfremde Teile heraus. Einblendung: »Wir trennen alle Materialien nach Sorten.« Noch piepen Kontrollapparate im Herzrhythmus des Patienten. Eine Apparatur wird aus den blutigen Gedärmen gepult. »Wir verwenden nur wiederverwertbare Kunststoffe.« Das Piepen erstirbt. »Dadurch sparen wir Ressourcen.« Die Ärzte operieren weiter, freuen sich über jedes weitere Fahrzeugteil, das sie in der Leiche entdecken. »Recycling. Eine Idee der deutschen Autoindustrie.« Das Publikum — die Aula der HdK platzte mit 400 Gästen aus allen Nähten — lachte und wollte seinen Applaus nicht abbrechen lassen.

Die Kurzfilme sind im Rahmen einer Abschlußarbeit im Fachbereich »Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation« entstanden. Weil der »mündige Verbraucher« für Appelle (»Du sollst den Ozonschutzschild nicht zerstören«) weitgehend immun sei, argumentieren die Kunststudenten, verzichte die »Pathos«-Kampagne auf Aufforderungen an das ohnehin überstrapazierte Gewissen. Mit der Kampagne soll gegen eine bestimmte Form der Werbung protestiert, Aufmerksamkeit für den zynischen Charakter des »großkotzig propagierten Umweltbewußtseins der Automobilindustrie« geschaffen und langfristig Meinungen und Einstellungen zum »umweltfreundlichen Auto« korrigiert werden.

Wann die Spots in den Off-Kinos anlaufen, ist noch nicht geklärt, Kleefeld und Kraus verhandeln gerade mit den Berliner Filmtheatern. Die Antiwerbung soll auch bundesweit vorgeführt werden, die beiden Studenten wollen weitere Kurzfilme drehen. Die Herstellung von Katalysator und Recycling hat 4.000 Mark gekostet. Allerdings ist den Mitarbeitern des Filmteams kein Honorar gezahlt worden. Dirk Wildt

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