Selbsthilfe gegen Schweizer Deutschenhass: Fiese Eidgenossen
Deutsche Mobbingopfer treffen sich in Zürich in einer Selbsthilfegruppe. Dort reden sie über unterschwellige Ablehnung und offenen Hass.
Beschimpfungen bis hin zu Drohungen müssen die Deutschen in der Schweiz ertragen, ihre Autos werden zerkratzt, und zeigt einer doch mal guten Willen – hörbar bemüht um den tiefen Rachenlaut des Schwyzerdütsch –, wird er schlicht ausgelacht. „Einzelne Deutsche stören mich nicht, mich stört die Masse“, wetterte die Schweizer Abgeordnete Natalie Rickli gegen die wachsende Zahl deutscher Einwanderer. Das war Anfang des Jahres.
Der Schweizer Deutschenhass ist also nichts Neues. Neu ist allerdings, dass einer jetzt auf Konfrontation geht – Michael Engler, 56, reicht es: „Wir werden gemobbt, es muss sich etwas tun.“ Für die deutsche Gemeinde im Kanton Zürich gründete er eine Selbsthilfegruppe, die jetzt das erste Mal zusammentraf. 30 Personen, darunter verschiedenste Alters- und Berufsgruppen, sammelten ihre Sorgen, Anliegen und Vorschläge. Bereits kurz zuvor hatte ebenfalls eine Deutsche in Bern eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen. Durch sie sei er auf die Idee gekommen.
Viele Deutsche hätten wegen der Diskriminierungen unter Burnout und Depressionen zu leiden. Es gebe welche, die sich vor Angst nicht mehr auf die Straße trauten, sagt Engler, der selbst mit einer Schweizerin liiert ist und seit sechs Jahren in Zürich lebt. Das größte Problem sei aber nicht offene Anfeindung, sondern eine allgemeine, unterschwellige Ablehnung. „Wenn es auf der Arbeit Probleme gibt, kommt eben doch der Spruch: ’Wenn es dir hier nicht passt, geh halt zurück‘“, so Engler.
Klar hätten es die Schweizer nicht immer leicht, gibt der Deutsche zu. Allein in Zürich, mit knapp 400.000 Einwohnern, leben mittlerweile mehr als 30.000 Deutsche. „Ich kann mir vorstellen, dass es nicht immer schön ist, wenn man als Schweizer, ob im Krankenhaus, Wirtshaus oder in der Schule, auf Hochdeutsch angeredet wird.“ Die Angst vor dem Gastarbeiter wächst. Engler spricht von einer gefühlten Großmacht im Norden, dessen Bewohner jetzt auch noch das eigene Land annektierten. „Die Schweizer fühlen sich bedroht.“ Dennoch müssten auch sie akzeptieren: „Die Schweiz ist längst multikulti.“
In seiner Selbsthilfegruppe möchte Engler auch von Fachleuten profitieren, mit ihnen Lösungsvorschläge erörtern. Und Vorurteile auf beiden Seiten abbauen. Nicht jeder Deutsche sei arrogant und arbeite in einer Führungsposition. „Viele sind billige Kräfte und machen eine Arbeit, die die Schweizer selbst nicht übernehmen wollen.“ Ob beim nächsten Gruppentreffen im September auch Schweizer erwünscht sind? Nicht alle Mitglieder sind dafür. Für Engler steht fest: „Von mir aus – ja.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn