Seilbahn in Hamburg: Gondeln über Wilhelmsburg
Investoren wollen St. Pauli per Seilbahn mit der Internationalen Gartenschau verbinden - in 18 Minuten Fahrtzeit. Das 50-Millionen-Euro-Projekt soll sich selbst tragen.
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HAMBURG taz | Zum Glück gibt es das Seilbahngesetz. 2004 beschlossen und als Auswuchs des EU-Bürokratismus verspottet, könnte es jetzt ein spektakuläres Projekt für die Internationale Gartenbauausstellung (IGS) 2013 in Wilhelmsburg ermöglichen. Die Musical-Firma Stage Entertainment und der Seilbahnbauer Doppelmayr haben vorgeschlagen, eine Gondelbahn zwischen St. Pauli und dem IGS-Gelände zu bauen. Hoch über Elbe und Hafen hinweg könnten die Besucher zur IGS und der Internationalen Bauausstellung (Iba) fahren.
Die Seilbahn würde mit einer 30-Personen-Gondel am Bismarck-Denkmal starten und neben dem Musical-Zelt des "Königs der Löwen" enden. Wer weiterfahren möchte, müsste hier in die Zehner-Gondeln einer zweiten Seilbahn umsteigen, die am Reiherstieg-Knie enden würde - dem westlichen Ausläufer des Gartenschau-Geländes. Die 5,2 Kilometer lange Fahrt würde insgesamt 18 Minuten dauern. Der höchste Pfeiler der Bahn, direkt südlich der Elbe, wäre 120 Meter hoch.
"Das ist eine tolle Attraktion und ein Transportmittel für die IGS", findet Ina Heidemann, die Sprecherin der Gartenschau. Ursprünglich sei eine Gondelbahn auf dem Gartenschau-Gelände angedacht gewesen. Wegen der kurzen Strecke sei diese aber als unattraktiv abgetan worden - ganz anders der Weg über die Elbe. Weil dieser an dem Musical-Zelt vorbeiführt, ließ sich die Stage Entertainment für die Gondelbahn begeistern.
Seilbahnen im Flachland sind nicht so abwegig, wie es scheint.
1963 erschloss eine Gondelbahn vom Dammtor zum Millerntor die Internationale Gartenbauausstellung in Hamburg. Nach deren Ende wurde die Bahn abgerissen.
Zur Buga 2011 in Koblenz bringt eine Seilbahn bis zu 7.600 Fahrgäste pro Stunde über den Rhein hinweg auf die Festung Ehrenbreitstein. Zusätzliches Highlight: Eine der Gondeln hat einen gläsernen Boden.
Das Seilbahngesetz geht auf eine europaweite Vereinheitlichung von Sicherheitsstandards zurück. Weil in Deutschland die Länder für den Nahverkehr zuständig sind, konnte die entsprechende EU-Richtlinie nicht in Form eines Bundesgesetzes umgesetzt werden. Auch die Länder in der norddeutschen Tiefebene mussten daher eigene Seilbahngesetze erlassen.
"Die Anfahrt zum Musical mit der Fähre ist für die Besucher schon Teil des Erlebnisses", sagt Stefan Jaekel, Sprecher von Stage Entertainment. Die Seilbahn würde das noch steigern - zumal der erste Fahrtabschnitt besonders spektakulär wäre, weil die Gondel von dem 120-Meter-Pylon steil zum Musical-Theater im Hafen hinabfahren würde. Über den Fahrpreis will die Firma wegen des frühen Planungsstadiums nichts sagen. Geplant sei das Projekt für Touristen, nicht für die Wilhelmsburger Pendler.
Dass die Seilbahn dem geplanten Barkassenverkehr von den Landungsbrücken zur IGS und zur IBA Konkurrenz machen würde, verneinen Jaekel und Heidemann. Vielmehr könnten beide Verkehrsmittel einander ergänzen, etwa indem Besucher mit der Gondel zur IGS fahren und mit einer Barkasse zurück. "Das ist aus touristischer Sicht eine tolle Idee", sagt auch der Barkassen-Reeder Klaus Ehlers. Eine Konkurrenz für seine Schiffe fürchtet auch er nicht.
Doppelmayr und Stage Entertainment schätzen die Kosten für die Seilbahn auf ungefähr 50 Millionen Euro. Trotzdem erwarten sie, dass sie sich rechnen würde. Allein 2013 erwarte die IGS 2,5 Millionen Besucher. Die Investoren wollen die Bahn aber länger betreiben: den Nordteil zunächst zehn Jahre lang, den Südabschnitt für fünf Jahre. "In dieser Zeit wollen wir die Investitionen wieder hereinbekommen", sagt Wolfram Auer von Doppelmayr. Technisch und finanziell sei das Projekt machbar.
Am 26. April 2013 wird die IGS ihre Pforten öffnen. Bis dahin müsste ein umfangreiches Planfeststellungsverfahren abgewickelt, Grund gekauft und die Bahn gebaut werden - ein ehrgeiziges Programm. Die Stadtentwicklungsbehörde hält das Projekt für interessant, es sei aber nicht über das Stadium einer Idee hinaus gediehen. "Wir haben eine Stadtsilhouette, die wir bewahren wollen", sagt Behördensprecherin Helma Krstanoski. Zurzeit werde geprüft, ob sich die Gondelbahn damit vertragen würde.
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