piwik no script img

Sehnsucht nach den real existierenden Stränden

■ Auch für Hamburgs Beach-VolleyballerInnen beginnt der weite Weg zu den Olympischen Spielen in Atlanta auf aufgeschüttenten Kunststränden der Großstädte

„Das ist ja eklig“, schimpfte Jörg Ahmann gegen die Regenböen, die aus Richtung Olympiastadion hereinnäßten. „Da kriegste auf dem Feld eiskalte Hände.“ Und er vergrub seine Glieder tief in mehreren Schichten Baumwolle und Goretex und seinen Kopf in einer Kapuze. Nebenan blies der Westwind zwei Sonnenschirme einer Freßbude um. Das haben die Beach-Volleyballer nun davon, wenn sie den real existierenden Stränden die kalte Schulter zeigen und sich im vermeintlich mollig warmen Berlin einen Kunststrand auf das Pflaster schütten lassen: Nordseewetter.

680 Tonnen feuchtklebriger Kies auf dem Olympiaplatz in der Hauptstadt widerlegten übrigens das Vorurteil vom irgendwie umweltverträglichen Modesport. Rund die Hälfte aller acht Masters-Turniere, deren Saison am Wochenende eröffnet wurde, erfordern derartige Materialschlachten mit 30 LKW-Ladungen Sand und exzessiven Bulldozergebrauch. Strandvolleyball am Strand ist dem Laufpublikum einfach nicht verrückt genug. Man engagiere eine Salsa-Kapelle, stelle ein Kettenkarussel daneben, sorge für Bier und Bratwürste: Fertig ist das Volksfest, oder, in der Sprachregelung der Veranstalter: der „Event“:

Soweit es sich um sportliche Belange handelt, mischen Hamburger wie Jörg Ahmann bei diesen Eventualitäten an führender Stelle mit. Zusammen mit seinem Partner Axel Hager wurde er im vergangenen Jahr deutscher Meister. „Ich lebe im Moment vom Beach-Volleyball“, sagt Ahmann, was allerdings nichts anderes heißt, als daß er sich damit im Sommerhalbjahr mehr als einen gehobenen Studentenlebensstandart sichern kann.

Selbst wenn ein Duo alle deutschen Turniere gewinnen sollte, käme am Ende einen Prämie von nicht einmal 30.000 Mark heraus, geteilt durch zwei und vermindert um Anreise-und Hotelkosten. „Der Druck, allein von Preisgeldern zu leben, ist sehr groß“, findet Ahmann und entschloß sich wie Hager entgegen früheren Ankündigungen vorvergangene Woche doch, einen Vetrag beim VCH-Nachfolger Norderstedt zu unterschreiben.

Damit sind ihre Aktien gesunken, auf Dauer Nationalspieler zu werden und sich für den ersten olympischen Beach-Volleyball-Wettbewerb 1996 in Atlanta zu qualifizieren. Denn der Verband hat von den Kandidaten einen Rückzug aus der Halle verlangt.

Ihre Berliner Konkurenten Thomas Brall und David Schüler zeigten sich risikofreudiger und verzichten im kommenden Winter auf die Halle. Außerdem brachte sich in Berlin noch ein anderer Spieler ins Gespräch: der Hamburger Ex-Nationalspieler Hauke Braack. Allerdings wäre sein brasilianischer Partner Eduardo Tinoco in einem Nationalteam nicht spielberechtigt.

„Aber wir können eine Nationalmannschaft auch selbst zusammenstellen“, erklärte der zuständige Verbandsreferent Harald Schäfer, der nach Berlin die frohe Kunde mitbrachte, daß der Verband für eine Männer- und eine Frauenmannschaft in diesem Jahr 160.000 Mark lockermachen wird. „Das kommt ziemlich spät“, bemerkte Ahmann.

Noch dringender als bei den Männern werden diese Subventionen bei den Frauen benötigt, die im Schnitt mit einem Drittel der Männer-Preisgelder abgespeist werden. Für das seit Jahren souverän siegende Paar Martina Schwarz/Beate Paetow (Hamburg/Norderstedt), das sich häufig über die Vernachlässigung durch den Verband beklagte, zeichnen sich nunmehr erste Möglichkeiten ab, Beach-Volleyball professionell zu betreiben.

Doch sie sind vielleicht gar nicht die Wunschkandidaten des Verbandes für Atlanta: „Es muß sich unbedingt Konkurrenz entwickeln“, sagt Teamchef Burkhard Sude. Was wohl nichts anderes heißt, daß der 37jährige nach Spielerinnen sucht, die größer als die nur 1.74 Meter große Martina Schwarz sind. "Wir müssen uns an internationalen Maßstäbenorientieren.“ O. Krohn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen