piwik no script img

Segel-WettstreitDas Mädchen und das Meer

Eine 13-Jährige Niederländerin möchte alleine die Welt umsegeln - die Behörden wollen das jedoch verhindern. Deshalb muss ein Familiengericht über das elterliche Sorgerecht entscheiden.

Umstritten: Die Solo-Segeltour von Laura Dekker lehnen einer Umfrage zufolge 77 Prozent der Holländer ab. Bild: dpa

Sie und "Guppy" wollen so schnell wie möglich weg. So steht es auf einer Website der 13-jährigen Laura Dekker aus Wijk nahe Utrecht. Aus dem als einengend empfundenen Korsett der Heimat ausbrechen möchten in dem Alter viele. Aber nur wenige treiben diese Pläne tatsächlich voran und finden zudem auch noch die Unterstützung der Familie.

Eine so bedingungslose Unterstützung, dass sie in Kauf nehmen, das Sorgerecht für das eigene Kind zu verlieren. Laura nämlich plant, mit ihrem 8,3 Meter langen Segelboot "Guppy" während der nächsten zwei Jahre um die Welt zu reisen. Aber ohne den Segen der niederländischen Behörden.

Am 1. September, so ihr Wunsch, geht es los. Im Dezember soll sie auf den Kanarischen Inseln ankommen, im Januar 2010 in der Karibik, über Panama und den Pazifik nach Australien. Bis Februar in Sri Lanka, im April durch das Rote Meer, im September 2011 dann wieder in den Niederlanden. Doch damit es so weit ist, muss am Freitag erst ein Gerichtstermin absolviert werden. In Utrecht möchte das Bildungsministerium den Eltern das Sorgerecht entziehen lassen, wer nämlich um die Welt segelt, der kann nicht zur Schule gehen. Ein für die Behörde für Kinder- und Jugendschutz gewichtiges Argument.

Und ein mächtiger Hebel in dieser Sache, schließlich gilt die Schulpflicht als eine der wenigen Einschränkungen in den Grundrechten. Soll heißen: Niemand kann daran gehindert werden, das Land zu verlassen. Es sei denn, er muss zur Schule. Laura selbst möchte ihren Realschulabschluss im Fernstudium erreichen, eine reichlich illusorische Idee in Anbetracht von Lernpensum und Arbeit an der Pinne.

Doch was bedeutet so eine Reise für eine 13-Jährige über die Schulpflicht hinaus? Schließlich wäre Laura ganz alleine Wind und Wetter ausgeliefert sowie den anderen Gefahren der See wie Treibgut und Piraten. Ausreichend Schlaf wäre ihr, der Heranwachsenden, nicht gewährleistet. Zwar bestünde eine Satellitenverbindung, sie hätte reichlich Möglichkeit, die Reise abzubrechen, und kann auf eine bislang schon sehenswerte Segelkarriere zurückblicken, ja kam gar auf einem Boot zur Welt. Doch reicht das, um von einer autarken Entscheidung des Teenagers ausgehen zu können? Wie versessen der Vater die Segelleidenschaft seiner Tochter treibt, zeigt auch ein Vorfall in Großbritannien. Dort nämlich wollte die Polizei Laura daran hindern, alleine in die Niederlande zu segeln, er ließ es aber zu.

Unbestritten, dass Laura technisch fit ist, auch wenn man daran zweifeln kann, ob das Kind, denn das ist sie noch, körperlich stark genug ist. Aber Freundschaften und Bindungen sind auch wichtig in diesem Alter. "Eine 13-Jährige", so Micha de Winter, Professor für Kinderpsychologie an der Universität Utrecht, "ist inmitten ihrer Entwicklung und kann diese nicht alleine bewältigen. Dafür braucht man Altersgenossen und Eltern." Abgesehen davon aber kann man zweifeln, ob eine 13-Jährige zur Selbstüberschätzung neigt und sie sich bei Sturm auf hoher See nicht in einen Kreis pubertierender Mädchen wünscht, die zum x-ten Mal gemeinsam "High School Musical III" schauen.

Entscheidet das Gericht gegen die Eltern, möchte Laura nach Neuseeland auswandern, dessen Staatsbürgerschaft sie neben der niederländischen und deutschen besitzt.

Vor allem leidet das Mädchen unter dieser um sie kreisenden Posse - sie wird zwischen den konträren Meinungen aufgerieben. Zwischen dem, was Freiheit bedeutet, und dem, was Sicherheit bietet. Schuld daran sind die Eltern, die dem Kind mehr ermöglichen, als ihm gut tut, egal wie erwachsen ihre Tochter schon ist oder für wie erwachsen sie sie halten.

Am schlimmsten aber wiegt, dass Laura schnell abreisen soll. Damit sie den Rekord bricht und als jüngster Mensch alleine um die Welt segelt. Das presst sie in ein Korsett, das mit Freiheitsliebe und Weltenbummlertum nichts zu tun hat. Hier geht es um knallharte Leistung, die das Mädchen bringen muss, wird es nicht vom Gericht daran gehindert.

Wünschen sollte man es Laura und "Guppy" nicht, dass sie am 1. September in See stechen. Wenn der Wunsch nach einer Weltumseglung so groß ist, dann wird dafür auch noch in zwei Jahren Zeit sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • S
    Segler

    Leider sind nur wenige Kommentare näher an der Realität als der moralinsaure Artikel. Auf dieser Route, die sie vorhat ist das zwar abenteuerlich, aber nicht wirklich gefährlich, wenn sie ein gutes Boot hat. Jeden Herbst/Winter segelt sogar eine Hobbyregatta von den Kanaren in die Karibik. Und Piraten gibt es wirklich noch nicht überall auf den Meeren. Die Hauptsache ist aber wohl eine Vorstellung vom "Kindeswohl", die Amtsstuben und nicht dem von Seefahrern entspricht, denn eine Skipperin ist sie offensichtlich schon (allein im Tidengewässer Ärmelkanal).

  • EU
    emil und die detektive

    @ herr schmitz, sie bewerten leider völlig falsch

    und aus der sicht des stammtisches.

    in der tat es zeigt den zustand unserer gesellschaft, in afrika sterben jeden tag hunderte

    menschen an hunger und wir o.... auf diese banale schlagzeile wie auf eine politische staatsaffäre

  • P
    Pat

    Hallo,jemand zuhause.

     

    Das KIND ist 13 Jahre jung! In diesem Alter weiß man zwar was man tut, kann aber sicherlich aufgrund fehlender Erfahrung nicht adequat die Konsequenzen einschätzen. Warum kann sie nicht ein wenig warten bis sie 18 Jahre alt ist????!

    Die offensichtliche Ignoranz der Eltern überhaupt auf diesen Vorschlag einzugehen, läßt den Behörden keine andere Wahl! Völlig gaga!

  • E
    Elias

    Ja genau SCHULPFLICHT! KIND! UNVERANTWORTLICH!, das ist mal wieder alles was wir tolle Erwachsene dazu sagen können, die lieben Kleinen überbehütet in ein Kasernengebäude namens Schule stecken und uns dann auch noch wundern dass die Kids nicht "kreativ" genug sind!

     

    Mensch, Laura wird nach diesem Abenteuer wahrscheinlich mehr gelernt haben als in zehn Schuljahren! Sie hat dann selbst erfahren dass die Erde eine Kugel ist. Zumal sie ja auch noch die modernen Informationstechnologien nutzen möchte.

     

    Traut den Kindern endlich mal was zu! Die können mehr als wir immer denken wenn sie mal ne zeitlang auf sich gestellt sind!

     

    Ich wünsche Laura jedenfalls das sie ihr Vorhaben durchführen kann, sie kann froh und stolz sein solche Eltern zu haben!

  • HS
    Herr Schmitz aus Köln

    Das über diesen Segeltörn überhaupt diskutiert wird, zeigt mal wieder den Zustand der westlichen Demokratien.

    Dem Gesetz nach ist das ein Kind, es gilt SCHULPFLICHT, basta!

    Ich verstehe die Eltern nicht, haben die noch nie von Piraten gehört?

  • U
    Uwe

    Sie segelt nicht Kap Horn, Cookie. Sie geht über den Panama Kanal. Die Tour sieht so aus. Von den Kanaren im Herbst in die Karibik, geht schnell mit dem Nordostpassat. Dann runter zum Panama Kanal, in den Pazifik nach Australien, Sri Lanka und hoch über die Seidenstraße Suez Kanal ins Mittelmeer, vielleicht geht sie auch über Kapstadt und dann wieder den Atlantik hoch. Das ist keine klassische Rennroute mit ständig über 40 Knoten Wind. Sie weiß glaube ich genau, was sie vor hat.

  • OM
    Olaf M.

    Es ist schon interessant, das auch bei der TAZ nicht sein darf was nicht sein soll. Schablonen passen halt auch hier, ganz gleich ob es Menschen unterschiedlicher Entwicklungsstufen gibt. Das hier ein besonerer Fall vorliegt, zeigt doch wohl schon die Biographie. Da den reinen Mutterinstinkt drüber zu stülpen ist typisch. Leider.

  • M
    Makeze

    Sie könnte auch von den Canaren Richtung Mittelamerika aufbrechen. So machen es dieses Jahr noch zwei bejanntevon mir. Jedoch soll es im Herbst sehr Rauh werden, und es sind 2 Männer in ihren Zwanzigern in einer 10 Meter Regattayacht.

    Man mag dies so bescheuert finden wie man will. Jedoch ist man auch seines eigenen Glückes Schmied, und das seiner Kinder. Wenn man ein völlig verzogenes/verschüchtertes/sexistisches/rassistisches/erfolgsorientiertes/maritimes Balg (was nicht bedeutet, dass dies in diesem Fall auch so ist) großziehen möchte, weil man selber einen an der Pfanne hat und sowas normal/richtig findet, dann ist das auch recht.

    Die Erziehung eines Kindes nach dem Bilde eines typischen Taz-Lesers ist dem Landser-Abonnenten bestimmt auch ein Dorn im Auge...

  • C
    Cookie

    Antwort gefunden :-)

     

    Die Segelstrecke sieht vermutlich wie folgt aus: Ärmelkanal -> Atlantik runter -> einmal um die Antarktis rum -> Atlantik wieder hoch -> Ärmelkanal

     

    Das wären dann (mindestens/nur wenig mehr als) 40000km, weil man relativ nahe am südlichen Polarkreis (ca. 16000km Umfang) segelt.

     

    https://secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/Weltumsegelung#Regeln_f.C3.BCr_maritime_Weltumrundungen

     

    http://www.welt-des-wissens.com/wissen/erde.htm

  • C
    Cookie

    Die Erde hat am Äquator eine Umfang von 40000km. Da mit einem Segelboot diese Luftlinienstrecke schwerlich bewältigt werden kann, war die Segelstrecke sicherlich etwas länger, oder?