: Seen wie Sommersprossen
Entspannter Aktivurlaub in Naturlandschaften, wie sie im Bilderbuch stehen. Zu Fuß, per Rad, im Kanu oder mit einer Draisine durch die mittelschwedischen Regionen Värmland und Dalsland
Wer ein Outdoor-Reiseführer für Mittelschweden sucht, sollte sich im Angebot des Conrad Stein Verlags umschauen, der zu Schweden gleich mehrere Handbücher veröffentlicht hat – zum Beispiel über den Dasland-Kanal. Dieses Kanuparadies gilt vielen als das beste Wasserwanderrevier Europas. Wobei das Wort „Kanal“ etwas irreführend ist, denn nur etwa zehn von insgesamt 250 Kilometern sind wirklich künstlich angelegt. Das Seenlabyrinth des Kanals eröffnet unzählige Möglichkeiten für Touren und führt vom riesigen Vänern-See durch die von tiefen Wäldern und unberührter Natur geprägten Provinzen Dalsland und Värmland gen Nordwesten in Richtung norwegischer Grenze. Höhenunterschiede zwischen den einzelnen lang gezogenen Seen werden durch kleine Schleusen überwunden.
Lars Schneider: „Schweden: Dalsland-Kanal“. 3. überarb. Auflage, Conrad Stein Verlag, Welver 2007, 152 Seiten, 12,90 €
VON HARTMUT GRAEFENHAHN
„Ich liebe das, wie im schwedischen Sommer die Dämmerung mit den warmen Pastelltönen nur ganz langsam zu Ende geht. Ewig könnte ich das genießen.“ Der Berliner Klaus Kortstock gerät ins Schwärmen. „Und dann noch die zahlreichen Seen, die mit ihren felsigen Ufern an schier endlose Wälder grenzen.“
Schweden ist das Urlaubsland für Aktivurlauber. Unterwegs sein und die Natur genießen, das ist die einende Motivation der Schwedenurlauber. Für einige ist dies schon fast wie eine Religion. Die mittelschwedischen Regionen Dalsland und Värmland nördlich von Göteborg stellen sich als interessante und zugleich noch verhältnismäßig gut zu erreichende Landstriche dar. Die Möglichkeiten, das Land und die schönen Naturlandschaften kennenzulernen, sind sehr vielfältig – und das nicht nur zu Fuß, per Rad oder im Kanu.
Auf einer alten, stillgelegten Bahnlinie sind die Drahtesel der Schiene unterwegs, zu mieten für jedermann. Schon bei der Anfahrt fallen die merkwürdigen Verkehrsschilder auf. „Dresine Traffik“ heißt es an den Stellen, wo die Gleise die Straßen kreuzen. Für eine richtige Eisenbahnlinie sind die Gleise viel zu überwuchert. „Dresine Traffik“ ? Das fast gleichlautende Wort in deutsch, Draisine, haben wir schon einmal im nördlichen Brandenburg gelesen. Ist das nicht ein Schienenfahrzeug, das mit Muskelkraft fahrradähnlich über die Gleise bewegt werden kann? Hier im Dalsland führt die 52 Kilometer lange stillgelegte Route von Bengtsfors über Gustavsfors nach Arjäng. Abseits der Autostraßen geht es durch Wälder, über Wiesen und entlang von Seen. Ab und zu erscheint ein eingemotteter Minibahnhof oder ein Gehöft mit dem für Schweden typischen dunkelroten Anstrich. An vielen Stellen wuchern die Gleise zunehmend mit Pflanzen zu.
Da wird wohl auf den Pächter der Gleise demnächst sehr viel Arbeit zukommen, denn schon jetzt wachsen nur wenige Zentimeter neben den Gleisen Büsche und junge Birken. Der Spaß einer Draisinenfahrt beschränkt sich allerdings nur auf den optischen Genuss der Natur. Die Draisinen sind alles andere als lautlose Fahrzeuge. Selbst das laute Gespräch von Draisine zu Draisine ist fast unmöglich. Mit der Kraftanwendung ist es wie beim Radfahren. Bergauf muss kräftig und keuchend in die Pedale der eisernen Gefährte getreten werden, bergab lässt man sich komfortabel rollen. An einigen Bergabpassagen mahnen Schilder dringend zum Bremsmanöver. Tückisch sind die Übergange bei kreuzenden Schotterwegen. Liegen kleine Steinchen auf den Gleisen, kann die Draisine dort leicht entgleisen. Bei langsamer Geschwindigkeit kein Problem.
Zu erreichen sind die mittelschwedischen Regionen Värmland und Dalsland für zentraleuropäische Besucher noch mit annehmbaren Fahrtzeiten. Der Weg via Dänemark und die neuen, gigantischen Brücken über die Ostseemeerengen hinüber nach Schweden ist ein Erlebnis für sich. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn man mit dem Pkw über ein ausgewachsenes Hochseefrachtschiff hinwegfahren kann. Nicht ganz billig, aber rascher als mit den Fähren wird das Ostseewasser überquert.
Zurück in die schwedische Natur. Das richtige Radfahren, also auf Wegen und nicht auf der Schiene, ist in Schweden natürlich auch möglich. Auf den Nebenstraßen abseits der Caravanrouten begegnen sich die vielen Fernradwanderer, die vorne und hinten schwer bepackt für mehrere Tage oder gar Wochen durch das Land der endlosen Wälder fahren. Will man auch die kleinsten Wege nutzen, um zum Beispiel besonders schöne Uferwege befahren zu können, benötigt man allerdings recht genaue Karten. Die Beschilderung reicht häufig nur bis zum nächsten Gehöft – und das ist aus eigener leidvoller Erfahrung viel zu dürftig und führt dazu, dass der eine oder andere Weg gelegentlich unfreiwillig zweimal kennengelernt wird – hin und zurück. Die einfachen Landstraßen sind wegen vieler unübersichtlicher Kurven und dem damit verbundenen risikoreicheren Autoverkehr weniger empfehlenswert.
Anfahrt: Viele Wege führen nach Süd- und Mittelschweden. Zahlreiche Fährverbindungen von Kiel, Travemünde, Rostock oder Sassnitz bringen die Besucher über die Ostsee. Ohne Fähre geht es über Flensburg, Kolding, Odense, Kopenhagen, Malmö nach Göteborg. Informationen: DVVJ, Box 906, S-67229, Arjäng, Tel.: 00 46 573 71 17-90 Fax: -60 Internet: www.schweden.de, www.schwedenurlaub.de
Die seen- und flussreiche Region ist selbstredend ein Paradies für naturliebende Kanu- und Paddelbootwanderer. Schaut man sich die Landkarte von Dalsland und Värmland an, sieht man so viele Seen, wie ein Gesicht Sommersprossen haben kann. Viele der Wohnmobile und Autos haben ihr Wassergefährt auf dem Dach. Aber kanulose Besucher brauchen nicht zu verzweifeln, denn Kanuvermieter gibt es in Schweden fast an jedem See. Für den Naturbesucher folgt die Qual der Wahl: Welchen der unzähligen Seen befahren? Jeder hat seinen eigenen Charakter: rund oder extrem langgezogen, mit oder ohne zahlreiche Winkel, groß oder klein, einsam oder am Rand bewohnt.
Besonders kurios und fotogen sind die vielen kleinen Felseninselchen, manche nur eine Handvoll Quadratmeter groß. Aber für ein oder zwei Bäume ist selbst auf der kleinsten Seeinsel noch Platz. Einige dieser Felseninseln, vor allem die länglichen, erinnern an gestrandete Walfische. Die Fantasie der Kinder kennt da kaum Grenzen. Auch beim Kanufahren ist es wie beim Radfahren. Einige ziehen ohne Gepäck ihre Route an einem Tag durch, andere sind schwer beladen mit allem, was man so für einen längeren Trip benötigt – bis hin zum Zelt und der damit verbundenen Freiheit, jederzeit an einer der vielen Lagerbuchten oder einer kleinen Insel den im Sommer langen Tag zu beschließen.
Die komfortablere, aber nicht so einsame Übernachtungsmöglichkeit sind die gut ausgestatteten Campingplätze, auf denen auch niedliche kleine Hütten gemietet werden können. Für Kanuten ist es besonders interessant, dass viele Zeltplätze an Seen liegen.