: Seeleute zweiter Klasse
■ Hamburg: Türken dürfen nicht an Land
Türkische Seeleute, die von deutschen Schiffen angeheuert werden, hier Steuern und Sozialversicherung zahlen, dürfen in Hamburg noch lange nicht vor Anker gehen. In einem Brief an die Innenbehörde wirft die Türkische Gemeinde Hamburg Senator Hartmuth Wrocklage (parteilos) vor, „türkische Seeleute zu einer Minderheit mit beraubten Rechten“ zu degradieren. Jedem ausländischen Arbeitnehmer aus einem EU-assoziierten Land stünde laut europäischem Recht nach vier Jahren Arbeit in der Bundesrepublik „freier Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung“ zu.
Nicht so den türkischen Seeleuten auf deutschen Schiffen. Da deutsche See- und Binnenschifffahrt nach Hamburger Lesart „kein Teil des regulären deutschen Arbeitsmarktes sei“, gelte diese Regelung nicht.
Das aber bestreitet die Türkische Gemeinde. Flankiert von drei Hamburger Rechtsanwälten führt der offene Brief an den Senator ein europäisches Urteil an, das in einem ähnlichen Fall für die „Freizügigkeitsregelung“ entschied. Auch der Hamburger Argumentation, daß die türkischen Seeleute einer Beschäftigung ohne Arbeitserlaubnis nachgingen, hält die türkische Gemeinde ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs entgegen: Sofern die Arbeit legal sei, könne sie als „ordnungsgemäß“ gelten und die gleichen Rechte daraus abgeleitet werden.
Der Europäische Gerichtshof habe festgestellt, „daß die Rechte der bereits zugewanderten Türken aus dem EU/EG-Türkei-Assoziationsrecht nicht an ein ,spezielles Verwaltungsdokument' gebunden werden dürfen“.
Die Hamburger Innenbehörde, so die Türkische Gemeinde, würde nicht nur seit 1980 gegen geltendes Europarecht verstoßen, sondern die Seeleute darüber hinaus unter Druck setzen. So schreibt die Behörde in einem Fall, daß der betroffene türkische Seemann eine „Belastung der Allgemeinheit“ darstelle. Daher sei seine Ausreise „im öffentlichen Interesse“.
„Die Praxis der Hamburger Innenbehörde ist rechtswidrig“, lautet das Fazit des offenen Briefes. Deshalb sei Senator Wrocklage aufgefordert, die „ständigen Verletzungen des Europarechts“ zu beseitigen. Hat der Innensenator kein Einsehen, bleibt nur noch der Weg zum Europäischen Gerichtshof.
Silke Mertins
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