: Seelen im schlammigen Ringkampf
■ Flegelige Halbwüchsige und Bauernsöhne mit Erwartungen und Anspruch: Agnieszka Holland verfilmt in Total Eclipse das Leiden von Rimbaud und Verlaine mit Größe zwischen den Zeilen
Er war nur ein flegeliger Halbwüchsiger, ein Bauernsohn mit großer Erwartung und großem Anspruch, als er sich an den berühmten Dichter in der Hauptstadt wandte – und prompt und überschwenglich eingeladen wurde: Arthur Rimbaud, das klassische enfant terrible der französischen Dichtung, der Prototyp des Ausbruchs aus dem verquasten 19. Jahrhundert, hin zu einer zeitloseren Moderne, die bis weit in unser Jahrhundert nachhallte. Der deutlich ältere Kollege, der ihn so dringlich nach Paris einlud, das war Paul Verlaine, und beide verwuchsen in den nächsten Jahren zu einem obsessionell verhafteten Leidenschafts-Paar, einem teuflischen Duo der Erniedrigungen und weniger der großen Liebe.
Gemeinsam mit Drehbuchschreiber Christopher Hampton (der auch das Script zu Gefährliche Liebschaften schrieb) nahm sich die aus Polen stammende, meist in Frankreich arbeitende Regisseurin Agnieszka Holland in Total Eclipse dieser berühmt-berüchtigten Liaison filmisch an. Grundlage war ein frühes Theaterstück Hamptons, dem es vor allem um die Frage ging, was es bedeutet, ein Dichter zu sein. Ausgehend von historischem Material wird minutiös und in atmosphärisch dichten Bildern die Chronologie der Ereignisse verfolgt: Vom ersten Treffen im Haus von Verlaines gutbürgerlichen Schwiegereltern über die Entscheidung Verlaines zwischen seiner jungen Frau, die eben ein Kind bekommen hat, und dem jungen Dichterkollegen, der zwar das Aussehen eines Kindes, aber auch die Härte einer Klinge hat, bis hin zur gegenseitigen Zerfleischung in Erniedrigung und Leid.
Die Dichterfrage bleibt dabei unbeantwortet; sowohl für Hampton als auch für Holland scheint es schwer gewesen zu sein, die Befindlichkeit der Leidenschaft auch auf die Arbeit, das Schreiben, die leidenschaftliche Suche nach dem Wortweg zu übertragen. Ihr Hauptaugenmerk lag auf der Ausgestaltung einer zerfleischenden Beziehung, die deutlich sado-masochistische Züge trägt. So sind es vor allem die beiden Hauptfiguren und ihre Darsteller, die den Film spannend machen. Beide sind perfekt gewählt: Mike Thewlis, berühmt geworden mit Nackt, gibt Verlaine, dessen Elend seine Unentschiedenheit ist: Unentschieden ist er zwischen seiner Frau Mathilde (Romane Bohringer) und den Lockungen seines jungen Genies; unentschieden aber auch in seiner Haltung zur Zeit und ihrer Kunst, zur dichterischen Form und zum bürgerlichen Gepräge. Fast schmerzhaft präsent macht Thewlis die Erniedrigungen, die der ältere Verlaine nicht nur erträgt, die er anzuziehen scheint. Und als Rimbaud: Leonardo Di Caprio, der es seit Jim Carroll – In den Straßen von New York gewohnt ist, junge, haltlose Schreiber darzustellen. Er füllt Rimbaud mit der Bosheit des Jungen, der alles will und keine Konvention unberührt stehen läßt. Er hat die Grausamkeit des Unerfahrenen, Kompromißlosen, und seine Geisteshaltung ist keine Attitüde. Neben ihm hat Romane Bohringer die undankbare Rolle, die Mathilde im Leben hatte: sie steht am Rand.
Insgesamt ähnelt der Film den Werken Verlaines: eher konventionell und doch schön, und die Präsenz von richtiger Größe ist zwischen den Zeilen manchmal zu spüren. Georg Oswald
Holi
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