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Seekabel-Projekt Norger600 Kilometer Verheißung

Ein Seekabel soll Ökostrom von Norwegen nach Niedersachsen bringen - und manchmal auch umgekehrt. Dafür fehlt eine rechtliche Grundlage. Der hannoversche Landtag drängelt bei der Bundesregierung.

Der Strom aus dem ersten deutschen Offshore-Windpark fließt durch dieses Kabel von Norderney zum Festland. Mit dem "Norger"-Kabel könnten den auch Norweger kaufen. Bild: dpa

Streng genommen ist das, was da in fünf Jahren bei der Halbinsel Butjadingen zwischen Weser und Jadebusen ankommen soll, einfach nur ein dickes Kabel. Doch für Umweltpolitiker und Unternehmer ist die Leitung, die den norwegischen mit dem deutschen Strommarkt verbinden soll, eine große Verheißung: eine Zukunft mit billigerem Öko-Strom, speicherbarer Windenergie und guten Gewinnen.

Bauen will die Leitung mit dem Namen Norger ein Konsortium aus schweizerischen und norwegischen Unternehmen, ein Raumordnungsverfahren in Niedersachsen läuft - spätestens 2016 soll sie in Betrieb gehen.

Damit dieses Kabel gelegt wird, müssen in Deutschland allerdings Verordnungen verändert werden, die regeln, wer mit welcher Priorität Strom ins hiesige Netz einspeisen darf. Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium sieht keinen Grund zur Eile, nun will der niedersächsische Landtag Druck machen. Der Umweltausschuss war Ende September in Norwegen und hat sich das Projekt erklären lassen - und ist parteiübergreifend begeistert.

Fakten über Norger

Das Seekabel soll den norwegischen mit dem deutschen Strommarkt verbinden.

Länge: rund 600 Kilometer.

Kapazität: 1.400 Megawatt.

Bauzeit: rund drei Jahre, die Inbetriebnahme ist 2015 geplant.

Kosten: rund 1,4 Milliarden Euro, das Konsortium rechnet mit Schwankungen von 30 Prozent.

Investoren: Statnett (Netzbetreiber, Norwegen), Agder Energi und Lyse (beide Wasserkraftstrom-Erzeuger, Norwegen) sowie EGL (Energiehändler, Schweiz).

Protest gegen Norger gibt es am geplanten Standort der Konverterstation im niedersächsischen Elsfleth: Eine Bürgeriniative hat rund 1.800 Unterschriften gesammelt, wirbt für andere Standorte.

Über Norger soll Strom gehandelt werden. In welche Richtung der fließt, bestimmen die Preise. "Wenn der Strompreis in Deutschland höher ist als in Norwegen, dann fließt durch das Kabel norwegischer Strom aus Wasserkraft nach Niedersachsen", sagt Norger-Sprecher Matthias Hochstätter. Werde hierzulande extrem viel Strom aus Wind produziert, sei der Preis in Deutschland niedriger - und der Strom fließe nach Norwegen. In diesem Fall könnten etwa norwegische Pumpspeicherkraftwerke Wasser zu günstigen Preisen in ihre Speicher pumpen. Sie wären quasi eine Batterie für deutschen Windstrom, sodass die Regenerativen zuverlässig Strom anbieten und zur sogenannten Grundlast beitragen könnten.

Für die Advokaten einer schnellen Energiewende ist Norger der Auftakt für ein ökostromfreundliches europäisches Stromnetz. Die Unternehmen hinter dem Seekabel-Projekt werden wohl vor allem durch die wirtschaftlichen Aussichten gelockt: Sie behalten den größten Teil der Preisunterschiede zwischen den Märkten ein - ein beträchtlicher Gewinn. Ein ähnliches Leitungsprojekt zwischen den Niederlanden und Norwegen hat in zwei Jahren die erheblichen Investitionskosten eingespielt.

Doch noch gibt es ein Hemmnis für die Investition. Ein reines Händlerkabel wie Norger ist in den Verordnungen nicht vorgesehen. "Es gibt Netz und Kraftwerke - sonst gibt es nichts", sagt Projektsprecher Hochstätter. Das investierende Unternehmen will die Sicherheit, dass sie von den deutschen Netzbetreibern nicht einfach abgeklemmt werden können, wenn viel Strom im deutschen Netz ist. "Auf den guten Willen der Versorger wollen wir uns da nicht verlassen", sagt Hochstätter. Das Ziel ist: Seekabel sollen Kraftwerken gleichgestellt werden.

Bei der Landtagssitzung in der vergangene Woche beantragten sowohl die niedersächsischen Regierungsfraktionen von CDU und FDP als auch die Grünen, die Landesregierung solle sich in Berlin für Projekte wie Norger einsetzen. Die Grünen waren dabei etwas deutlicher und nannten die konkrete Verordnung, die zu verändern sei. Der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Martin Bäumer, fand das zu detailliert: "Die Regierung weiß auch so, was wir von ihr erwarten." Nun berät wieder der Umweltausschuss.

Zwar lässt das Bundeswirtschaftsministerium mitteilen, es begrüße das Norger-Projekt - doch große Eile legt es nicht an den Tag: Es will eine Entscheidung der Bundesnetzagentur abwarten, die das Seekabel von der Preisregulierung ausnehmen muss. "Nach Abschluss des Verfahrens wird die Bundesregierung prüfen, ob ein zusätzlicher Regelungsbedarf besteht", sagt ein Sprecher von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Wo der Zusammenhang zwischen den Regeln für die Strompreise und für die Netzeinspeisung ist, bleibt unklar.

Stefan Wenzel, Grünen-Fraktionschef in Hannover, vermutet hinter Brüderles Zögern die großen Stromversorger. "Denen scheint das Projekt", sagt Wenzel, "ein Dorn im Auge zu sein."

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6 Kommentare

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  • FB
    Frank Behr

    Bis morgen kann man zu diesem Thema noch eine E-Petition des Bundestages zeichnen:

    https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=16259

  • S
    Sieghold

    "Wo der Zusammenhang zwischen den Regeln für die Strompreise und für die Netzeinspeisung ist, bleibt unklar."

    Vielleicht sollten sich die Menschen einfach mal mit der Strompreisbildung beschäftigen. Stichwort Merit-Order-Effekt. Da könnten sich am Ende auch die vier großen Stromversorger den einen oder anderen Euro mehr ins Säckle stecken. Es ist nunmal so, dass Windstrom den Stromhandelspreis senkt und so auch dazu führt, dass die Gewinne der Kernkraftwerksbetreiber geschmälert werden. Weshalb sonst hätte auch E.ON Interesse am NordLink-Kabel? Entlastung des eigenen Stromnetzes, Einsparungen beim Netzausbau und erhöhte Stromhandelspreise an der EEX. Die Norwegische Statkraft ist zeitgleich noch der größte Aktionär bei E.ON und verdient ordentlich mit. Und die Verbraucher merken es gar nicht. Der gute Herr Hochstätter spricht ja immer nur von der "Ermöglichung zur Übertragung von Strom aus Wind- und Wasserkraft" da sollte man erst genauer lesen bevor man hier seine Zustimmung gibt.

  • K
    Ökofreund

    Sehr fraglich, ob das Projekt auch hält was es verspricht. In den Niederlanden gibt es bereits das Projekt NordLink, bei dem der niederländische Netzbetreiber TenneT und die Statnett Betreiber sind. Fakt ist aber, dass hier auch Atomstrom übertragen wird. Wer kann denn garantieren, dass beim NorGer-Projekt kein Atomstrom übertragen wird und die Lobby der konventionellen Stromerzeuger mit vom Projekt profitiert? Es wird ja jeweils der Strom mit dem günstigsten Handelspreis nach Norwegen geleitet und das könnte mitunter auch Atomstrom sein. Und eines ist auch klar, Norwegen verfügt auch nicht über unendlich viel Strom aus Wasserkraft, was dazu führt, dass die Speicherkraftwerke unentwegt ihre Seen auffüllen und zur Stromerzeugung wieder absenken müssen. Ein Horrorszenario für die angrenzende Natur! Aber egal, das ist ja alles in Norwegen und deshalb interessieren wir uns ja auch nicht dafür...

  • RJ
    rainer jacob

    Ich hoffe, daß unser Bundseswirtschaftsministerium das Projekt und die damit zusammenhängenden rechtlichen und technischen Fragen wohlwollend aber zugleich auch sehr sorgfältig prüft.

     

    Für den Wunsch von Norger nach Rechtssicherheit, nicht evtl. abgeklemmt zu werden, habe ich volles Verständnis.

     

    Die Kehrseite der Medaille ist aber daß EVUs ihren Kunden/Abnehmern gegenüber nicht nur ein Lieferrecht sondern auch eine Versorgungspflicht haben. In diesem Sinne ist Strom nicht einfach ein Handelsgut!

  • A
    anke

    Ein Kabel, das einem Kraftwerk "gleichgestellt" wird, ist ein Blödsinn! Ein Netz besteht aus Kabeln. Wenn man zwei Netze also mit einem Kabel verbindet, dann ist dieses Kabel bestenfalls Bestandteil des einen oder anderen Netzes aber doch kein Kraftwerk! Es mag zwar Geld erzeugen aus Wind und Wasser (und zwar ganz ohne dass irgend ein Karftwerk damit etwas zu schaffen hätte), Geld ist aber, wenn ich nicht sprachlich Entscheidendes verpasst habe in den letzten Jahren, noch keineswegs immer mit "Energie" zu übersetzen. Na ja, was nicht ist, kann ja noch werden. Unsere Politik lässt sich ja auch sonst ein X für ein U vormachen von der Energielobby – natürlich nur, wenn diese "Sicherheit will" an Stelle des gesunden Menschenverstandes. Nicht ausgeschlossen also, dass sie demnächst im Auftrag der Energiemilliardäre ein Gesetz beschließen, wonach in der deutschen Sprache ein Kabel ein Kraftwerk zu sein hat. Und wer dann noch wiederspricht, der wird eingesperrt.

  • L
    leon

    eine solche lobbyhörigkeit der regierung hätte ich vor einem jahr nicht erwartet - selbst bei schwarz-gelb nicht. das kabel wäre mit ein schritt zum atomausstieg und hin zu deutlich mehr strom aus erneuerbaren. ein sehr offensichtlicher fall von klientelpolitik!