Seehofer-Nominierung als Ministerpräsident: Augen zu und durch
Seehofer soll die zerstrittene CSU einen. Doch schon bei der Nominierung zum Ministerpräsidenten bekommt er einen Dämpfer - denn er kassierte zehn Gegenstimmen.
MÜNCHEN taz Sie haben ihrem neuen starken Mann eine Bühne hergerichtet, wie sie sonst nur Filmstars bekommen. In der Einfahrt vor der grauen CSU-Landesleitung stehen am Mittwochmorgen schwere Absperrgitter aus Eisen, geschmückt mit blauen CSU-Bannern. Davor schreiten die Mitglieder des CSU-Vorstands feierlich Richtung Sitzungssaal, hinter der Absperrung drängen sich Fotographen und Fernsehteams.
Das Wahldebakel der CSU in Bayern beschert der Union laut einer Meinungsumfrage bundesweit ein Stimmungstief. CDU und CSU stürzten in der wöchentlichen Forsa-Umfrage bei der Sonntagsfrage um 4 Punkte auf 33 Prozent ab. Das ist der niedrigste Wert seit Anfang 2007. Das linke Lager aus SPD, Grünen und Linkspartei
liegt mit 49 Prozent 3 Punkte vor einem Bündnis aus Union und Freien Demokraten. Nach der am Mittwoch veröffentlichten Umfrage für das Magazin Stern und den Fernsehsender RTL legt die SPD um 1 Punkt auf 27 Prozent zu und verkürzt damit den Rückstand auf CDU und CSU. Von den Verlusten der Union profitiert die FDP, die um 2 Prozentpunkte auf 13 Prozent steigt.
Aber als Horst Seehofer zu den Kameras kommt, sieht er angespannt aus, nicht wie der große Sieger. Eine gewaltige Aufgabe warte auf ihn, sagt der zukünftige CSU-Parteivorsitzende und bayerische Ministerpräsident. Er wolle integrieren, erklärt Seehofer den Journalisten. "Basta wird es nicht geben. Befehl und Gehorsam wird es auch nicht geben." Die CSU solle wieder eine lebendige, frische Volkspartei werden, daran werde er arbeiten. Am Tag zuvor hatten die verbliebenen Bewerber um das Amt des Ministerpräsidenten aufgegeben und den Weg für Seehofer frei gemacht. Und Seehofer sagte nur: "Zum ersten mal in meiner fast 40-jährigen politischen Laufbahn habe ich so etwas wie einen leichten Bammel."
Joachim Herrmann, einer der zwei gescheiterten Bewerber, stellt sich am nächsten Morgen fröhlich lächelnd vor das Absperrgitter und meint: "Es ist doch herrlich". Günther Beckstein, der vor einer Woche zum Rücktritt gedrängte Ministerpräsident, kommt wenige Minuten später die Einfahrt entlang geschritten und sagt: "Ich traue Horst Seehofer zu, dass er beide Ämter gut ausfüllt." Kurz darauf stimmt der Parteivorstand einstimmig für Seehofer als Becksteins Nachfolger. Da ist klar: Aus Sicht der CSU-Spitze kann es an diesem Morgen keinen besseren geben als Seehofer.
Die CSUler hoffen auf Seehofers Fähigkeiten als Moderator. Er soll die zerstrittenen Parteibezirke wieder aussöhnen, die CSU auch in Berlin und Brüssel wieder als geschlossene, starke Einheit präsentieren. Das ist seine Stärke. Aber Seehofer ist alles andere als ein entschlossener Entscheider. In den USA nennen sie einen Politiker wie ihn einen "Flip-Flopper". Seehofer ist wankelmütig, wechselt oft im Stundentakt seine politische Meinung, will es allen recht machen. Für einen Ministerpräsidenten ist so wenig Standhaftigkeit ein gravierendes Problem.
Damit haben vor allem die Bauern Erfahrung gemacht. Für was ihr Bundesagrarminister eigentlich in den vergangenen Jahren gestanden hat, ist ihnen nie ganz klar geworden. Als in diesem Jahr die Milchpreise fielen und viele deutsche Bauern um ihre Existenz bangten, versprach er ihnen eine schnelle Unterstützung durch die EU. Dass er dort aber keinen Rückhalt für seinen Vorschlag hatte, sagte er nicht. "Agrargesülze" nannte das die Bundestagsopposition.
Im Januar verkündete Seehofer, von gentechnisch veränderten Ackerpflanzen gehe keine Gefahr für die Verbraucher aus. Die Forschung an der grünen Gentechnik müsse erleichtert werden. Im September sagte er: "In Bayern bin ich gegen Gentechnik. In Brandenburg aber, wo es Bürgerinitiativen für diese Technologie gibt, muss man die Frage anders beantworten." Mit solchen schwammigen Positionen hat sich Seehofer vor allem bei der Landwirtschaft unbeliebt gemacht. Das ist auch deshalb ein Problem, weil die CSU bei der Landtagswahl vor eineinhalb Wochen vor allem unter den Bauern viele Stimmen verloren hat. Die soll nun ausgerechnet Seehofer zurückgewinnen.
Als Seehofer am Mittwochnachmittag am bayerischen Landtag zur entscheidenden Fraktionssitzung vorfährt, sieht er noch immer angespannt aus. Auch ein anderer CSU-Spitzenmann stapft mit gestresstem Blick in richtung Sitzungssaal: Georg Schmid, der Fraktionschef. Er solle abgewählt werden, heißt es seit Tagen.
Doch es kommt anders: Die Landtagsfraktion wählt Schmid wieder zu ihrem Chef. Er bekommt 72 Ja-Stimmen, 17 Abgeordnete stimmen mit "nein", drei enthalten sich. Seehofer wird wie erwartet zum Ministerpräsidentenkandidaten der CSU gewählt. Er bekommt 76 Ja-Stimmen. Ganze 10 Abgeordnete stimmen mit "nein", sechs enthalten sich. Dafür dass Seehofer als der gefeierte Retter in die Abstimmung ging und Schmid als der wackelde Rücktrittskandidat, liegen die Ergebnisse nicht besonders weit auseinander. Es ist der erste Dämpfer für Seehofer.
Wahrscheinlich hat es sein Vorgänger Günther Beckstein am Morgen am besten zusammengefasst. "Horst Seehofer ist ein Mann, der gut mit Medien umgehen kann", sagt Beckstein und macht eine kleine Pause. "Und der nicht gleich wieder Landtagswahlen vor sich hat."
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