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Seegefecht zwischen USA und Iran

■ Iran versuchte US–Angriff auf Bohrplattform direkt zu vergelten / Hintergrund für Eskalation nach wie vor ungeklärt Irans Streitkräfte waren auf Schlagabtausch vorbereitet / Auftrieb für Teheraner Führungskreise, die Krieg beenden wollen

Aus Manama U. Tilgner

„Eine Seidenraupe kommt.“ Fünfmal erscholl dieser Warnruf an Bord von US–Kriegsschiffen nahe der Straße von Hormuz. Aus iranischen Küstenstellungen waren am Dienstag die „Seidenraupen“–Raketen chinesischer Bauart auf einen US–Flottenverband abgefeuert worden. Antiradarfolien wurden in die Luft geschossen, um die anrasenden Sprengsätze in die Irre zu leiten. Vier der Land–See– Raketen schlugen im Wasser ein, die fünfte detonierte in einer Bohrinsel. Kein Zweifel, Iran hat am Dienstag versucht, den US–Angriff auf zwei Bohrplattformen direkt zu vergelten und die amerikanische Kriegsflotte zu treffen. Aber es gelang den Männern Khomeinis nur, einen Cobra–Hubschrauber abzuschießen. Die eigenen Verluste waren wesentlich bedeutsamer, zwei Fregatten wurden schwer beschädigt, ein Patrouillenboot und zwei Speedboote versenkt. Der Hintergrund für die Eskalation ist nach wie vor unaufgeklärt. Zwar sind in der vergangenen Woche wieder verstärkt Minen aufgetaucht, aber einen Beweis, daß Iran sie erst kürzlich ausgelegt hat, konnten auch die USA nicht liefern. Irans Parlamentspräsident Rafsanjani hat gestern zwar behauptet, Irak könne die Minen gelegt haben, aber die Urheber dürften wohl eher in Teheran zu finden sein. Vermutungen reichen einem US– Präsidenten allemal, um das Recht in die eigene Hand zu nehmen. Letztlich ist die schnelle iranische Gegenwehr auch kein Beweis dafür, daß Iraner die Minen gelegt haben, denn seit Samstag hatte sich der militärische Kraftakt der USA abgezeichnet. Die Intensität der militärischen Reaktion Irans deutet darauf hin, daß die Streitkräfte auf einen Schlagabtausch mit der US–Armada vorbereitet waren. Ein Indiz dafür, daß es in der iranischen Führung Kreise gibt, die eine erneute Eskalation in den Golfgewässern anstreben. Wer von den Machthabern in Teheran dies will, ist eines der Geheimnisse des Führungszirkels. Die Revolutionswächter allein sind sicher nicht in der Lage, solch wichtige Fragen zu entscheiden. Dabei ist sicherlich die Brutalität des militärischen Vorgehens der USA unterschätzt worden. Denn nach wie vor ist unbewiesen, daß die iranischen Fregatten auf US–Flugzeuge geschossen haben, bevor sie von Laser–gesteuerten Bomben getroffen wurden. Bei der allgemeinen Mobilisierung gegen den großen Satan, die USA, und den Erzfeind Irak wird die Auseinandersetzung in der Teheraner Führung erst einmal in den Hintergrund treten. Aber die Niederlage im Landkrieg gegen die irakischen Truppen bei Fao und die Ohnmacht gegenüber der US– Flotte wird denjenigen Auftrieb geben, die den Krieg schon lange beenden wollen. Dabei können ganz neue Frontlinien entstehen. Vor allem, da die Fraktionierung in den Fragen der Wirtschafts– und Sozialpolitik nicht der in der Kriegsfrage zu entsprechen scheinen.

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