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■ Sechs untalentierte Comic-Künstler lösen das Rätsel um Barschels WannentodDas Richtige tun

Die Deutschen haben offensichtlich Minderwertigkeitskomplexe, weil sie in ihrer jüngeren Geschichte keine nennenswerten Attentate auf nennenswerte Politiker zu bieten haben, ja nicht einmal einen hollywoodwürdigen politischen Skandal – jedenfalls nichts, was sich mit den beiden Kennedy- Morden und dem Watergate- Skandal messen könnte.

Wie anders ist es zu erklären, daß in den letzten zehn Jahren das Ableben eines psychodrogensüchtigen Provinzfürsten zu einem mythischen Ereignis aufgedonnert wurde? Und daß sich die Rätselexperten fast aller Redaktionen weiterhin damit beschäftigen, ob Uwe Barschel höchstselbst das Ticket zur Hölle löste oder ob vielleicht Geheimdienstler, Mafiosi oder Außerirdische ihre dreckigen Pfoten im Spiel hatten?

Spätestens seitdem sich der Todestag des neurotischen Norddeutschen im Oktober zum zehnten Mal jährte, sind die Spekulationen zu durchgekaut, als daß hintersinnige Satiren und hochintelligente Gags zum Thema noch möglich wären.

Sechs Comic-Schaffende aus Kiel haben das vorausgesehen und genau das Richtige getan – ein Album mit schlechten Gags vollgezeichnet: „Barschel – Wege in die Wanne.“ Es kommt dem Druckwerk zugute, daß die Herren Mathesdorf, Reymann, Schmidt, Sponholz und Wiedenroth sowie ihr Ehrengast Brösel hier keineswegs nur aus strategischen Gründen schlechte Witze machen. Vielmehr können sie gar nicht anders, sie sind schlicht Stümper. Immerhin sind sie so untalentiert, daß man von ihnen im nächsten Jahr durchaus gern einen Sammelband zum sensiblen Thema „21 Jahre deutscher Herbst“ lesen würde – aber sonst bitte nichts mehr. Mit anderen Worten: Hinter „Barschel – Wege in die Wanne“ steckt „Norddeutschlands Comic-Elite“ (Hamburger Morgenpost).

Beeinflußt von „Mad“, „Clever & Smart“ und Mike Krüger, entwickeln die sechs Künstler ihre Theorien darüber, „wie es wirklich war“. Gemäß der ersten tut Barschel heute das, was Jesus, Elvis und Jim Morrison auch tun: Er lebt. Für Jörg Reymann ist Björn Engholm an allem schuld, weil der sich von Barschel beim Schubladenficken erwischen läßt („Noch 'ne Schubladen-Affäre“), und laut Volker Sponholz' „Lösungsmittel- Theorie“ war Gregor Gysi als Gießkannengeist mit im Spiel.

Für das Barschel-Album spricht nicht zuletzt, daß es der Hamburger Comic-Exeget und CDU-Lokalpolitiker Ole von Beust „unglaublich taktlos“ findet. Und warum? „Der Mann hat Frau und Kinder hinterlassen.“ Eine interessante These: Wer es auf Erden nicht versäumt hat, sich fortzupflanzen, muß vor einem satirischen Weiterleben nach dem Tode bewahrt werden. Abgesehen davon hätte OvB allen Grund, mit dieser Theoriensammlung zufrieden zu sein, denn der Prominente, der hier am besten wegkommt, ist sein Kamerad Helmut Kohl. In Lutz Mathesdorfs „Mafia-Theorie“ sieht man ihn auf dem Klo sitzend „Micky Maus“ lesen. Ist Kohl eigentlich jemals sympathischer dargestellt worden? René Martens

„Barschel – Wege in die Wanne“, Achterbahn AG, 19,80 DM

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