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Sechs Wochen exklusiv

Die „Berliner Zeitung“ will sich künftig 42 Tage Bedenkzeit einräumen, ob sie die Beiträge ihrer freien Autoren überhaupt druckt. Neue Geschäftsbedingungen versuchen Zweitverwertung auszuhebeln

„Viele können nur von ihrer Arbeit leben, wenn sie an mehrere Zeitungen verkaufen.“

von CAROLINE JANSEN

Der freundliche Brief des Chefredakteurs der Berliner Zeitung hatte es in sich. „Sie leisten einen wichtigen Beitrag zu unserem gemeinsamen Erfolg“, schrieb Uwe Vorkötter quasi zum Dienstantritt den freien JournalistInnen Anfang Februar. Damit sich die Berliner Zeitung „auch weiterhin auf dem Berliner Zeitungsmarkt erfolgreich behauptet“, sollten alle nun auch bitte die neuen Geschäftsbedingungen des Hauses akzeptieren. – Und einen Vertrag unterschreiben, in dem sämtliche Rechte an ihren Texten dem Berliner Verlag übertragen werden.

Dazu zählt nicht nur die übliche Mehrfachnutzung von Texten und Fotos im Internet und auf CD-Rom. Der zu Gruner + Jahr gehörende Berliner Verlag will die Beiträge auch an Dritte verkaufen können. Extrahonorare sollen die Autoren dafür allerdings nicht bekommen. Und nicht einmal informieren will sie der Verlag, wenn ihre Texte woanders erscheinen.

Es muss eben gespart werden beim überwiegend in Bertelsmann-Besitz befindlichen Großverlag. Dass intern die bereits praktizierte Zusammenarbeit der Berliner mit anderen G + J-Titeln wie der Sächsischen Zeitung und der Financial Times Deutschland verstärkt wird, ist seit langem bekannt. Doch im taz-Gespräch schloss Vorkötter auch Kooperationen mit anderen Verlagen und Blätter – wie der Frankfurter Rundschau und dem Kölner Stadtanzeiger – nicht mehr aus (siehe taz vom 09.02.2002).

Diese Situation ist für Freie und LeserInnen gleichermaßen mies: „Solche Kooperationen führen zur inhaltlichen Verarmung, weil die Zeitungen dann immer auf die gleichen Texte zurückgreifen“, sagt Ulrike Maerck-Fransen, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalisten-Union. „Und: Viele Autoren können nur von ihrer Arbeit leben, wenn sie an mehrere Zeitungen verkaufen.“

In den Geschäftsetagen der Berliner Zeitung, der Hauptstadt-Konkurrent Holtzbrinck laut Presseberichten bis 2004 rund sieben Millionen Euro Verlust voraussagt, weist man nun darauf hin, dass solche Verträge nichts Neues sind. Man passe sich doch nur den Gepflogenheiten auf dem Berliner Zeitungsmarkt an. Tatsächlich unterbreitete schon 2001 die Berliner Morgenpost (Springer) ihren Freien Verträge, in denen der Verlag sich das Recht nahm, Texte und Fotos in allen Springer-Produkten zu verwerten. Und der Tagesspiegel (Holzbrinck) will seit dem Sommer die einfachen Nutzungsrechte seiner Autoren gleich an Dritte weiterverkaufen.

Doch der aktuelle Vorstoß des Berliner Verlags geht noch viel weiter: Er verlangt ein pauschales Erstveröffentlichungsrecht und will selbst abgelehnte Beiträge für sechs Wochen sperren: „Der Autor darf den gelieferten Text (…) selbst weiterverwerten, jedoch erst nach einer entsprechenden Erstveröffentlichung des Textes in den Publikationen des Berliner Verlags oder nach Ablauf von 6 Wochen nach Lieferung“, heißt es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die der taz vorliegen. Sechs Wochen – „das ist absurd bei tagesaktuellen Themen“, empörten sich zahlreiche freie Mitarbeiter bei Treffen mit Ver.di-Vertretern. Sie fürchten, dass sie bei weiteren Kooperationen der Berliner mit anderen Zeitungen ihre Texte kaum noch weiterverkaufen können: Der Verlag wird immer schneller sein.

Möglicherweise werden derartige Verträge im Juli schon wieder unwirksam: Dann tritt nämlich das neue Urhebervertragsrecht in Kraft, das Autoren eine „angemessene Vergütung“ für ihre Arbeit zuspricht. Und „eine Vergütung, die bei Weiterverwertung gleich Null ist, wie es der Berliner Verlag will, kann keinen Bestand haben“, sagt Rüdiger Lühr, Sprecher der AG Urheberrecht bei verdi. Erfahrungen bei anderen Zeitungen zeigen außerdem, dass sich Widerstand lohnen kann. Beim Tagesspiegel hatten Fotografen schon 1999 erwirkt, dass ihre Fotos nicht ohne Bezahlung im verlagseigenen Schwesterblatt Potsdamer Neueste Nachrichten erscheinen dürfen. Bei der Berliner Morgenpost sorgten Proteste für eine Neufassung der Verträge.

Auch die Freien der Berliner Zeitung haben sich nun organisiert. Ihren Brief an die Geschäftsführung beantwortete der Berliner Verlag auf seine Art: Am vergangenen Wochenende hatten alle Beschwerdeführer noch einmal die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen in ihrer Post.

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