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Scorsese für Arme

■ „Im Würgegriff“ von Ricky Tognazzi im Wettbewerb

Dem als Steuerberater getarnten Mafioso Sergio ist nichts Verbrecherisches fremd, vom Menschenhandel bis zur Kreditwirtschaft. Er erschleicht sich Vertrauen und Baufirma seines Freundes Francesco, begehrt dessen Frau, richtet dessen Schwager samt schwangerer Gattin zu Grunde und wird schließlich von den eigenen Schuldeneintreibern beseitigt. So ist es auf der Leinwand zu sehen. Aber man muß diesen Film so lesen: Der Duce verführt mit falschen Versprechungen das italienische Volk (hier repräsentiert durch die Familiendynastie), vergewaltigt nicht nur bildlich „bella italia“ (die Ehefrau), treibt das blühende Land in den Ruin (halbfertige Baustelle) u.s.w.

Auf das Parabelunterfangen gibt es mehr Hinweise als man zählen kann: Der offensichtlichste ist die Glatze von Sergio, die nicht nur, wenn sie im Halbdunkeln aufleuchtet, an Mussolini gemahnt. Der kettenschwingende Geldeintreiber erinnert in seiner Lederkluft auch sonst an die Schwarzhemden des Duce, nicht nur, weil er seine farbige Geliebte einfach rausschmeißt, als er sich auf dem Gipfel der Macht wähnt.

In „Ultra“ hat Tognazzi sich noch damit begnügt, ein Milieu nachzuzeichnen, in diesem Fall das der Fußball-Hooligans, wenn auch mit manchmal arg übertriebenen dramatischen Mitteln. Hier nun hat er nicht nur verzweifelt versucht, eine Parabel auf Verführung und Macht zu drehen, sondern auch noch eine verharmlosende Parallele zwischen der Mafia und dem Faschismus zu ziehen. Daß er sich detailverliebt in der Charakterisierung seines Oberbösewichts verliert, stört da schon fast weniger, als daß er einen Scorsese für Arme abgeliefert, in dem Ricky Memphis als Schläger mit dauerbösenm Blick den Robert DeNiro abgeben muß. Thomas Winkler

„Im Würgegriff“, I/ F 1995, 108 Min., Regie: Ricky Tognazzi

Heute, 12 Uhr: Royal, 20 Uhr: International, 23.30 Uhr: Urania

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