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SciFi-Parodie „Das Imperium“ im KinoAliens im Fischerdorf

Bruno Dumont lässt in seiner Science-Fiction-Parodie „Das Imperium“ das Gute gegen das Böse kämpfen. Gedreht wurde in der französischen Provinz.

Sie ist eine von den Guten: Prinzessin Jane ­(Anamaria Vartolomei) in „Das ­Imperium“ kämpft mit Laserschwert Foto: Filmgalerie 451

Im Nichts einer Dorfstraße in Audresselles, einem Fischerdorf ganz im Norden Frankreichs am Ärmelkanal – links ein paar Bäume, rechts Sträucher und eine Brache, auf der Jony, ein Fischer, Boote repariert – verharrt Line (Lyna Khoudri). Ihr flacher Atem wird schneller, das Geräusch beim Ausatmen röchelnder. Dann kniet Line, weißes Sommerkleid und Wedges, einen Korb in der Hand, am Beginn der Auffahrt zu Jonys Haus nieder.

Etwas verwundert unterbricht Jony (Brandon Vlieghe) das Werkeln an seinem Fischerboot und fragt, was sie da macht. Es folgt ein wenig Smalltalk. Dann senkt Line erneut den Kopf, kniet wieder nieder und fragt: „Ist der Wain geboren?“ Auch Jonys Atmen beschleunigt sich, er hebt den Kopf und mit plötzlich verzerrter Stimme bestätigt er: „Der Wain ist geboren.“ Die Hand an seinem halb erhobenen Arm zittert verkrampft, Line erhebt sich und beide sind wieder zurück im Nichts einer Dorfstraße in Audresselles.

Spätestens als kurz darauf Rudy, der neue Partner von Lou, der Mutter von Jonys Sohn, die Frau nach einem Autounfall mit einem Laserschwert umbringt, ist klar: Bruno Dumonts „L’Empire“ („Das Imperium“) ist nicht einfach ein Film über die etwas maulfaulen Bewohner_innen des Fischerdorfs. Vielmehr ist das Dorf Schauplatz eines intergalaktischen Ringens zwischen Einsen und Nullen. Premiere feierte der Film im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale.

Die Nullen, das ist eine außerirdische Kraft unter der Führung des Beelzebubs; das Empire der Eins hingegen strebt nach der Erde, um dort das Gute zu verbreiten. Jony ist ein Kämpfer des Bösen und wie sein Sohn Freddy wurde er von einem Dämon kolonisiert.

Der Film

„Das Imperium“. Regie: Bruno Dumont. Mit Brandon Vlieghe, Anamaria Vartolomei u. a. Frankreich/Italien/Deutschland/Belgien/Portugal 2024, 110 Min.

Zwischen Alltäglichkeit und Welten Umspannendem

Dumont und Kameramann David Chambille erzählen dieses Ringen mit zahlreichen Totalen, die die Weite der Landschaft betonen. Diese Landschaft wiederum wirkt gleichermaßen zeitlos wie offen, bereit, die Kulisse für jedwede Handlung zu bilden, doch nicht, ohne zugleich eine Reibungsfläche für die Erzählung zu bilden. Ob Jony und seine Mitstreiter zu Pferde die Schlacht mit dem Reich des Guten planen oder die Polizisten einen Autounfall untersuchen: die aufgeräumten Bilder Chambilles sind nur scheinbar Bühnenräume des Absurden, mit Zitaten von „Star Wars“ bis „Game of Thrones“. Gerahmt von der unspektakulären Schönheit der Landschaft bewahrt der Film in seinen Szenen die Spannung zwischen Alltäglichkeit und Welten Umspannendem, zwischen Absurdem und Erhabenem.

Schon bald gesellen sich die Anführer_innen der beiden Fraktionen zu ihren Streiter_innen auf der Erde. Jane (Anamaria Vartolomei) ist eine Prinzessin des Empires des Guten und weiht Rudy (Julien Manier) in den Plan ein: Freddy soll heranwachsen und das Böse der Welt in sich aufnehmen. Dann soll er und mit ihm alles Böse umgebracht werden.

In „L’Empire“ fließen die Bildwelten früherer Filme Dumonts zusammen und formen ein Hybrid zwischen Science-Fiction-Epos und jenen Kleinstadtwelten, die Dumonts Filme ebenso durchziehen. Die scheinbar endlosen Glasfenster der gotischen Sainte-Chapelle, die sich im Mutterschiff der Guten findet, lässt seine beiden Historienmusicals über Jeanne d’Arc („Jeannette – Die Kindheit der Jean d’Arc“, 2017, und „Jeanne d’Arc“, 2019) anklingen. Audresselles wiederum war schon Schauplatz von Dumonts Mehrteilern „P’tit Quinquin“ („Kindkind“, 2014) und „Coincoin et les z’inhumains“ („Quakquak und die Nichtmenschen“, 2018).

Die Überreste des Atlantikwalls spielen auch mit

Im Presseheft bezeichnet Dumont den Film als „Fortsetzung meines ersten Films, ‚Das Leben Jesu‘“, der das Leben seines Helden Freddy fortsetzt. Sein Monumentalfilm „L’Empire“, der bei der Berlinale auf ein gemischtes Echo stieß, zugleich aber von der Jury mit dem Silbernen Bären geehrt wurde, zieht seine Kraft daraus, dass Dumont und Chambille einen sehr spielerischen Film realisiert haben, dieses Spielerische jedoch weitgehend in die Konzeption verlagert wurde, während die Inszenierung das wechselseitige Durchdringen von menschlicher und kosmischer Realität in dem Fischerdorf vor allem anfangs in höchstem Maße ernst nimmt. In den Landschaften Nordfrankreichs, die Dumonts Filme prägten, öffnen sich Portale zwischen den Welten.

Stilistisch ist letztlich das Reich des Bösen konsistenter dargestellt. Das Gegenbild zur Sainte-Chapelle ist die Reggia di Caserta, ein bourbonischer Klotz und Inbegriff der Unterwerfung der Umgebung unter den Wunsch nach klaren Sichtachsen. Errichtet als Ausgangspunkt einer Musterstadt nördlich von Neapel ist die Reggia historisch am Ende des Zweiten Weltkriegs der Ort der Kapitulation der deutschen Streitkräfte in Italien nach zwei Jahren mörderischer Exzesse in dem Land.

Wie schon in den Jeanne-d’Arc-Filmen ist die Geschichte des Zweiten Weltkriegs, die sich in die Landschaft Nordfrankreichs eingeschrieben hat, einer der Subtexte des Films. Die Überreste des megalomanen Atlantikwalls, mit dem sich die Deutschen gegen eine alliierte Landung wehren wollten, sind als Betonklötze allgegenwärtig.

Stellenweise ganz amüsant

Zu den Schwächen des Films gehört, dass er diese Ernsthaftigkeit letztlich nicht durchhält und im Verlauf immer mehr Possen einbaut. So fragt Rudys Mutter, als er mit Jane das Kämpfen mit Laserschwert übt: „Was ist das für ein Unsinn? Feuerwerk am helllichten Tag?“ Das ist stellenweise ganz amüsant, schwächt den Film insgesamt aber eher, zumal das menschliche Kleinklein von den Vertreterinnen des Reichs des Guten auf ihren Rundgängen durchs Dorf ohnehin schmunzelnd zur Kenntnis genommen wird.

Noch schwerer wiegt, dass der Film dazu neigt, den Kampf des Guten gegen das Böse zu konkret aufzuladen, das gilt vor allem für die Gender-Dynamiken des Kampfes. Während das Gute vor allem von Frauen erkämpft wird, ist das Böse überwiegend männlich. So weit, so realistisch. Aber wenn der Film die Anziehung, die sich zwischen Jane und Jony entwickelt, in den Machtkampf einbezieht, wirkt das eher altbacken. Trotz oder wegen Jonys breitbeinig-toxischem Verhalten fühlt sich Jane zu ihm hingezogen, ohne dass das je allzu plausibel wirkt.

Jene Verfremdung der Form, die Dumont nun schon einige Filme hindurch benutzt hat, um Filmstoffen eine aufregende Doppelbödigkeit zu verleihen, verliert sich in „L’Empire“ im Laufe der Zeit. Dabei hätte der Film, hätte er die Ernsthaftigkeit des Anfangs und dessen Kontrast zwischen menschlichem Alltag und übermenschlichem Konflikt beibehalten, durchaus das Material zu einem Film gehabt, der den Manichäismus der Vorlagen von „Star Wars“ bis „Game of Thrones“ zu einem komplexen Ringen fortentwickelt.

Oder wie Jane, Prinzessin des Reichs des Guten, formuliert: „Es gibt keine schlechten Menschen. Jeder hier ist eine Balance von Gutem und Bösem. Unsere Schlacht findet in ihren Herzen statt.“ So nah am Klischee dieser Satz sein mag, so sehr wäre er ein guter Ausgangspunkt gewesen für einen Film, der übermenschlichen Manichäismus am Alltag in einem nordfranzösischen Fischerdorf bricht.

Dass „L’Empire“ trotz seiner diversen Schwächen sehenswert bleibt, hat er seinen Bildern zu verdanken. Der Film wäre wohl selbst als abstrakter Bilderreigen sehenswert und bis etwa zur Hälfte unterlegt Dumont diese Bilder mit ausreichend Deutungsschichten, dass sie allein schon den Film bis zum Ende tragen. Das Potenzial, mehr Begeisterung auszulösen, hat Dumont leider etwas leichtfertig verschenkt.

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