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Schwunghafter Handel mit Nahrungsmittelhilfe

■ Beim „verbündeten“ Somalia dulden die westlichen Länder, daß Flüchtlingshilfe in zweckfremde Kanäle fließt

Abdallah Said, der Vertreter des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) in Mogadischu, wurde am vergangenen Mittwoch als Persona non grata vor die somalische Tür gesetzt. Warum? Der gebürtige Sudanese hat jenem lukrativen Nahrungsmittelhandel ein Ende gesetzt, am dem eine Handvoll Würdenträger des Regimes ein Jahrzehnt lang kräftig verdient hat. Die Rechnung ist einfach: Seit dem Ogadenkrieg 1977/78 reklamiert die somalische Regierung internationale Nahrungshilfe für 840.000 äthiopische Flüchtlinge. Tatsächlich aber befinden sich in Somalia - zumindest in den vergangenen Jahren - nur noch rund ein Drittel davon, also bestenfalls 300.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland.

Was mit den überzähligen Rationen geschieht? Sie werden nahe des großen Marktes von Mogadischu am hellichten Tage verscherbelt und auf vollen Lastwagen abgefahren. Da internationale Nothilfe vom Empfängerland bekanntlich nicht bezahlt wird, fallen für die Schwarzhändler Verkaufspreise und Gewinnspanne zusammen, abzüglich gewisser Schmiergelder. Vor einem Monat wurde eine Schiffsladung internationaler Nahrungsmittelhilfe zunächst entladen: für die feierliche Vergabezeremonie. Drei Tage später wurden alle Säcke wieder geladen und das Schiff nach Berbora geschickt. Das ist nicht zuletzt eine Möglichkeit, mit freundlicher Unterstützung der internationalen Gebergemeinschaft sein gegen eine Guerilla kämpfendes Heer zu ernähren...

Aber Somalias SNM-Rebellen empören sich nur halbherzig. Ihrerseits ernähren sie sich von den UNHCR-Lieferungen an somalische Flüchtlinge in Äthiopien. Die Verteilung wird nicht vom UN-Hochkommissariat direkt überwacht, und Albert -Alain Peters, der UNHCR-Vertreter in Addis Abeba, gibt denn auch zu, „daß Nahrungshilfe abgezweigt wird“. Nach langer Reise findet man sie in Somalia wieder, diesmal auf Rebellenseite.

Ein bitterer Trost: UNHCR, das mit bestem Willen Flüchtlingsleben retten will, ernährt so zumindest Regierungstruppen und Guerillakämpfer gleichermaßen... Weniger entschuldbar ist, daß man so lange gewartet hat, um in Somalia die Hilfe an die tatsächlichen Bedürfnisse anzupassen. Und warum wird mit Abdallah Said schon der siebte UNHCR-Funktionär aus dem Land gewiesen, obgleich er lediglich seine Pflicht erfüllte? Die Antwort ist einfach: In einem mit dem Westen verbündeten Land geht eine UNO -Organisation, die von westlichen Geberländern abhängt, nicht so strikt vor wie beispielsweise im benachbarten Äthiopien, wo derzeit die Somaliflüchtlinge gezählt werden ein Jahr nach ihrer Ankunft, während in Somalia schon zehn Jahre verstrichen sind.

Und was Said betrifft, so ist er das Opfer einer vertuschten „Panne“. Als er dem ungläubigen US-Botschafter in Mogadischu, Frank Crigler, den Lebensmittelschmuggel detailliert bewies, wurde das streng vertrauliche Gesprächsprotokoll vom Sitz der UNHCR in Genf an die somalische Regierung geschickt. Mit den besten Grüßen eines beflissenen Somalifunktionärs, der im Hauptquartier der UNHCR Afrika vertritt, einen Kontinent mit 50 Stimmen in der UNO. Natürlich kann man einen solchen Mann nicht wegen grober Pflichtverletzung entlassen...

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