Schwuler Fußballprofi Robbie Rogers: Der kalifornische Traum

Robbie Rogers ist Mittelfeldspieler bei LA Galaxy. Er hat sich geoutet. Der smarte US-Amerikaner hat das Zeug zum glamourösen Vorbild.

Robbie Rogers weiß jetzt, dass er nicht alleine ist Bild: dpa

NEW YORK taz | Robbie Rogers war 12 Jahre, als er zum ersten Mal von Thomas Hitzlsperger hörte, ein Teenager in Kalifornien, der in jeder freien Minute im Garten der Eltern kickte und in der Schulmannschaft in Palos Verdes Linksaußen spielte. Rogers träumte davon, einmal in der Premier League zu spielen, so wie Hitzlsperger, der damals für Aston Villa auflief und mit seinem linken Fuß den Ball vom Mittelfeld aus mit ebenso viel Wucht wie Präzision in die Torecke dreschen konnte.

Rogers bewunderte damals Hitzlsperger, doch seine Bewunderung für das Ballgefühl des Deutschen ging auch nicht annähernd so weit wie der Respekt, den Hitzlsperger Rogers in dieser Woche abnötigte. „Ich weiß genau, wie viel Mut das gekostet hat, was du da getan hast“, schrieb Rogers am Donnerstag in einem Leitartikel für den Londoner Guardian. „Ich kann dir gar nicht genug dafür danken.“

Robbie Rogers weiß tatsächlich genau, wovon er spricht. Bis zum Beginn dieser Woche war er der einzig lebende offen homosexuelle Fußballprofi. Lebend, weil es schon einmal einen gegeben hat, den Engländer Justin Fashanu, der 1990 vor der englischen Presse sein Coming-out hatte. Acht Jahre später beging Fashanu Selbstmord, nachdem ein 17-Jähriger ihn im US-Bundesstaat Maryland der Vergewaltigung bezichtigt hatte, zu einer Zeit, in der in Maryland Homosexualität noch illegal war. Fashanu beteuerte noch in seinem Abschiedsbrief seine Unschuld, kurz bevor er sich in einem Hotelzimmer erhängte. Vorangegangen waren acht Jahre, in denen er übelste Beleidigungen und Diskriminierungen von Trainern, Mitspielern und Fans über sich hatte ergehen lassen müssen.

Rogers kennt die Geschichte von Fashanu, er hat sich intensiv mit ihr beschäftigt, nachdem er es 2011 in die Premier League zu Leeds United geschafft hatte. Fashanus Geschichte war damals einer der Gründe, warum Rogers glaubte, sich niemals zu seiner Homosexualität bekennen zu können, solange er Fußball spielte.

Rogers hatte sich lange mit dem Gedanken eines Outings herumgeschlagen, während seiner Zeit bei der Columbus Crew und in Holland bei Heerenveen. Doch in England, im Herzen des harten Profigeschäfts, sank ihm der Mut. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich am nächsten Tag hätte zum Training gehen können, ich hätte einfach zu viel Angst gehabt.“

Die Vorbilder fehlten

Und worauf stützte sich diese Angst? Zum einen gab es keinen Präzedenzfall. Niemand wusste, was passieren würde. Das einzige Vorbild waren Sportler wie Jackie Robinson, der erste schwarze Spieler im US-Baseball. Robinson war ein Märtyrer, er ließ den Hass von den Rängen und von Mitspielern geduldig über sich ergehen und bahnte somit den Weg für nachfolgende Generationen. „Ich wusste nicht, ob ich dazu das Zeug hatte“, sagt Rogers.

Zum anderen hatte Rogers in den Kabinen und auf den Spielfeldern genug gehört, das ihn in seiner Angst bestärkte. „Es gab diese Kommentare, die man noch als Geplänkel abtun kann“, erinnert sich Rogers. „So Sachen wie: der und der tritt den Ball wie eine Schwuchtel.“ Auch wenn ihn das ärgerte, habe er so was nicht allzu ernst genommen, im Gegenteil zu den Kabinensprüche, die regelrecht boshaft waren. „Mir hat es dann den Magen umgedreht und mir ist schwindlig geworden. Ich habe dann immer versucht, das Thema zu wechseln und über etwas anderes zu reden.“

So lebte Robbie Rogers weitere zwei Jahre mit der Zerrissenheit zwischen dem Sport, den er liebte, und dem Wunsch, offen seine Sexualität leben zu können. Am Ende gewann der Wunsch, zu seiner Homosexualität zu stehen.

Rogers gab mit nur 25 Jahren, am Anfang einer vielversprechenden Laufbahn in England und im US-Team, seinen Rücktritt als Fußballprofi bekannt und ging zurück nach Kalifornien zu seiner Familie. Er bewarb sich bei Modeschulen, bereitete sich auf ein neues Leben vor. Und er setzte einen Brief auf, in dem er der Welt sein Schwulsein mitteilte.

Ähnlich wie bei Hitzlsperger waren die Reaktionen darauf überwiegend positiv. Doch in die Unterstützung für seinen Weg und die warmen Worte mischte sich die Kritik an seinem Rücktritt. „Sein Coming-out war mutig, aber seine Entscheidung, sich aus dem Sport zurückzuziehen, unterstreicht lediglich, wie lebendig die Homophobie im Fußball ist“, schrieb etwa die Wochenzeitschrift The Nation.

Die Einwände nagten an ihm, auch weil er den Sport vermisste, den er liebte. Der Wendepunkt kam für ihn jedoch erst, als er in Oregon vor einer Gruppe von homo- und transsexuellen Jugendlichen eine Rede hielt. „Ich kam mir gegenüber diesen Jugendlichen vor wie ein Feigling. Diese Kids sind alle für sich eingestanden, und ich hatte diese Plattform und diese Möglichkeit, ein Vorbild zu sein.“

So fragte Rogers beim LA Galaxy Trainer Bruce Arena an, ob er unverbindlich ein paarmal mittrainieren könne. Er sprach mit seinem alten Freund und Weggefährten Landon Donovan, dem Galaxy-Kapitän, um zu sondieren, wie denn die Atmosphäre sein würde. Und dann unterschrieb er bei Galaxy einen Vertrag.

Nun ist Rogers neben dem Basketballspieler Jason Collins der zweite offen schwule Profisportler in den USA. Dabei will er jedoch unter allen Umständen vermeiden, immer und überall als Botschafter aufzutreten. „Ich will als Robbie Rogers Fußball spielen. Nicht als ’der schwule Profi'. Ich will, dass es einfach nur normal ist.“

Bislang ist dieser Wunsch weitestgehend in Erfüllung gegangen, „das fühlt sich alles erstaunlich normal an“, sagt Rogers, wenn er vom Trainings- und Spielalltag erzählt. Ein wenig enttäuscht ist er aber dennoch. „Mir haben so viele Leute zu meinem Schritt gratuliert“, sagt er. „Aber nicht einer ist zu mir gekommen und hat gesagt: Danke, du hast mich dazu ermutigt, mich auch zu bekennen.“

Umso mehr hat ihm das Outing von Thomas Hitzlsperger bedeutet. Denn nun seien sie immerhin schon zu zweit, die schwulen Kicker. „Wenn sich jemand wie Thomas bekennt, dann hilft das, den verängstigten 12-Jährigen ein wenig zu heilen, der sich so einsam fühlt und der immer noch in jedem von uns steckt.“

Durch das Outing von Hitzlsperger, so Rogers, weiß er heute, dass er damals nicht so alleine war, wie er das geglaubt hat. Durch das Outing von Rogers weiß heute aber auch jeder schwule 12-Jährige in irgendeinem Fußballklub, dass er nicht alleine ist. Auch wenn er sich noch nicht traut, mit seinem Trainer, seinen Kumpels oder seinen Eltern zu sprechen.

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