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Schwuler Chef von Paris

Der Sozialist Bertrand Delanoë wird der neue Bürgermeister der französischen Hauptstadt

aus Paris DOROTHEA HAHN

Er hat es tatsächlich geschafft. Bertrand Delanoë – „Bertrand“ für alle, die mit ihm zu tun haben – wird Bürgermeister von Paris. An der Spitze einer rot-rosa-grünen Koalition wird der Sozialdemokrat mit dem schelmischen Lächeln das schönste Büro der französischen Hauptstadt beziehen. Jenen Arbeitsplatz mit Blick auf die Seine, von dem aus einst ein gewisser Jacques Chirac seinen Siegeszug in den Élysée-Palast vorbereitete und der bislang ununterbrochen von rechten Politikern besetzt war.

Dass Delanoë es so weit bringen könnte, haben ihm selbst Parteifreunde bis kurz vor dem Erfolg nicht zugetraut. Der 50-jährige, in Tunis geborene Politiker galt als „zu blass“, als „zu wenig charismatisch“. Mehrere sozialistische Stars versuchten, ihn zu verdrängen.

Delanoë blieb und überzeugte die Pariser, die Glanz und Gloria der Chiraquie und die Diadochenstreitereien um die Macht leid sind. Seit Mitte der 70er-Jahre eroberte Delanoë mit Kärrnerarbeit in der Ratsopposition eine lokale Basis; 1995 gewannen seine Listen bereits in sechs der zwanzig Arrondissements der traditionell konservativen Stadt. Ende 1998 schließlich tat er einen Schritt, wie ihn kein französischer Spitzenpolitiker vor ihm gewagt hatte: Er vollzog sein eigenes Outing als Schwuler in einer Fernsehsendung. „Natürlich bin ich homosexuell“, beendete er eine Gerüchteküche im „tout Paris“. Er fügte hinzu, dass er gar nicht daran denke, die Rolle des „Homosexuellen vom Dienst“ zu übernehmen.

Damit war das Thema erledigt – für Delanoë und für die anderenen Pariser, die es – Konservative inklusive – auch im Wahlkampf nicht aufgriffen. Als Delanoë am Sonntag als erster bekennender Schwuler an die Spitze einer Hauptstadt gewählt wurde, freuten sich viele Schwule, die auf dem Rathausvorplatz mitfeierten, über den Sieg, den sie für ein Stück eigener Integration in die Gesellschaft halten. Aber eine „Community-Politik“ erwarten nur die wenigsten von ihm.

In allen anderen Bereichen freilich sind höchste Erwartungen an Delanoë gerichtet: Er soll die Günstlingswirtschaft der Chiraquie beenden – die Scheinjobs für Parteifreunde und die Vergabe von Sozialwohnungen an Unterstützer, die Schmiergeldbeschaffung bei Unternehmen. Er soll den Erstickungstod von Paris verhindern – soll Fahrradwege schaffen, Straßenbahnen bauen und die Staus reduzieren. Und er soll die reine Bürgerstadt – wo das Leben prohibitiv teuer für einkommensschwache Familien ist – wieder sozialverträglich machen.

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