Schwulenkomödie mit Carrey und McGregor: Der schöne Kuss im Gegenlicht
Ewan McGregor und Jim Carrey spielen ein schwules Paar. Doch "I Love You Phillip Morris" macht keine politische Sache daraus, sondern setzt auf Komödie und Liebesdrama.
Hollywood sendet widersprüchliche Signale. Einerseits finden immer mehr heterosexuelle Schauspieler Spaß daran, schwule Rollen zu übernehmen - man denke an Jake Gyllenhaal und Heath Ledger in "Brokeback Mountain", Sean Penn und James Franco in "Milk" oder Colin Firth in "A Single Man". Andererseits kommt es fast nie zu Wechseln in die entgegengesetzte Richtung. Dass immer häufiger schwule Schauspieler heterosexuelle Figuren spielen, davon kann keine Rede sein.
Während es für die Heteros eine Art Mutprobe zu sein scheint, aus der sie nur gestärkt hervorgehen können, traut man den wenigen offen schwulen Schauspielern, die es gibt, das Straight-Sein im Film nicht zu. Gleichberechtigung sieht anders aus. Abgesehen davon überleben die schwulen Hauptfiguren der jüngeren Filmgeschichte ihren eigenen Film in der Regel nicht. Totschlag, Erschießung, Herzinfarkt: Irgendwie kommt der an den moralischen Standards der Redneck-Gesellschaft leidende, allzu selbstbewusste oder schlicht depressive Schwule immer an sein Ende.
Schaut man sich nun "I Love You Phillip Morris" an und sieht dort, wie Jim Carrey in der Rolle des schwulen Trickbetrügers und Gefängnis-Houdinis Steven Russell einen Aids-Tod stirbt, den er jedoch - wie sich später herausstellt - nur auf atemberaubend findige Weise vorgetäuscht hat, um mal wieder seiner Haft zu entfliehen, könnte man glatt denken: Das ist ein ironischer Kommentar auf beschriebene Filme. Doch basiert "I Love You Phillip Morris" auf einer wahren Geschichte - wie natürlich auch "Milk". Ein Seitenhieb auf die eventuell in den anderen Filmen wirkende Bestrafungslogik kann es also höchstens indirekt sein. Ohnehin will "I Love You Phillip Morris", in dem Carrey und Ewan McGregor ein Paar spielen, das sich im Gefängnis kennengelernt hat, keine politische Sache aus dem Umstand machen, dass seine Protagonisten auf Männer stehen. Schon eher eine humoristische - inklusive der altbekannten Folklore: Hüftwackeln, Hallöchen, Heiteitei.
Das müsste man bedenklich finden, würde der Film suggerieren: Alle Schwulen sind so. Das kann er aber gar nicht. Denn nicht alle Schwulen sind ja mehrfach verurteilte Hochstapler, die raffiniert zwischen 14 verschiedenen Identitäten (Arzt, Richter, Polizist etc.) switchen, um immer wieder aus dem Gefängnis auszubrechen. Weil also nicht verallgemeinert werden kann, ist es auch nicht schlimm, wenn im Film eine ungute Korrelation zwischen Homosexualität, schlechtem Geschmack und Konsumexzessen gezeigt wird. "Schwul zu sein ist ganz schön teuer!", erkennt Steven Russell, als er sich entschieden hat, seinen Hetero-Drag abzulegen und Frau und Kinder zu verlassen. Auf einmal braucht er sehr viel Geld, um den anscheinend für Schwule geltenden Lebensstandard zu erfüllen - etwa, um die neuesten Sportflitzer zu fahren und mit ihnen Ausflüge in Gay-Resorts in Florida zu unternehmen. Ewan McGregor spielt das treuherzige und etwas naive Blondchen Phillip Morris sehr überzeugend. In einer der besten Szenen simuliert er Oralsex mit Steven Russell in einem Paddelboot. Russell kommt laut stöhnend, Morris beugt sich übers Wasser und spuckt aus. "Du liebst mich nicht", sagt Russell enttäuscht. Wegen dieser Harmlosigkeit galt der Film in den USA als "zu explizit" und sollte erst gar nicht ins Kino kommen.
Dabei sieht man hier keine Sexmonster, sondern höchstens einen Film, der sich zwischen Gangsterkomödie und Liebesdrama nicht so recht entscheiden will. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn die Tricks, mit denen Steven Russell - der im wahren Leben einen bombigen IQ-Wert von 163 haben soll und in Texas wieder im Gefängnis sitzt - immer wieder ausbüchst, sind höchst unterhaltsam, und Ewan McGregor und Jim Carrey küssen schön. Soweit man das im starken Gegenlicht erkennen kann.
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