: Schwulen-Gruppen fordern zu Marlboro-Boykott auf
■ US-Konzern Philip Morris unterstützt den ultrarechten Senator Jesse Helms
Berlin (taz) - Auf den US-Konzern Philip Morris haben es jetzt auch Schwulengruppen abgesehen. Nachdem der Tabak- und Lebensmittelkonzern in den USA bereits von einer breiten Allianz aus ZigarettengegnerInnen, Gesundheits- und Kinderschutzorganisationen angegriffen wird, haben dort im Juni Aids-Gruppen zu einer weltweiten Boykott-Kampagne von Philip Morris-Produkten aufgerufen. Denn Philip Morris hat in diesem Jahr den ultrarechten US-Senator und „Schwulenfresser“ Jesse Helms mit 200.000 Dollar für ein „Jesse-Helms-Museum“ in seiner Heimat in Nord-Carolina unterstützt. In den letzten zehn Jahren hat das Unternehmen mit der höchstzulässigen Summe von 20.000 Dollar die Wahlkämpfe von Helms unterstützt.
Die Aids-Aktionsgruppen 'Act up‘ (Aids Coalition to Unleash Power, wörtlich: Aids-Koalition zur Entfesselung von Kraft) haben ein langes Sündenregister von Helms zusammengetragen: Er unterstützte die nicaraguanischen Contras, ergreift beständig Initiativen gegen das Recht auf Abtreibung und stimmt gegen die Einführung des Geburtstages von Martin Luther King als US-amerikanischer Nationalfeiertag. Im Zentrum seiner wüsten Attacken stehen jedoch Schwule, Lesben und Menschen mit Aids/HIV: Helms fordert breit angelegte Zwangstests auf HIV und stimmt gegen die Weiterführung eines Hilfsfonds der US-Regierung für Infizierte mit geringem Einkommen, der diesen eine ausreichende medizinische Bahndlung sichern sollte. Helms tritt zudem gegen die freie Verteilung von Spritzbestecken an Drogenverbraucher ein, obwohl damit HIV-Infektionen vermieden werden können.
Zudem hat der Senator das nach ihm benannte „Helms -Amendment“ im Senat durchgesetzt, einen Zusatzartikel zur US-Verfassung, nach dem Aids-Aufklärungsmaßnahmen nicht mehr finanziert werden dürfen, wenn sie Homosexualität als gleichwertigen Lebensstil darstellen. Als erste Konsequenz verlor daraufhin die weltweit größte Aids-Hilfsorganisation „Gay Mens Health Crisis“ sämtliche Unterstützung durch die US-Regierung, 1989 mußte eine Ausstellung des an Aids gestorbenen Fotografen Robert Mapplethorpe in washington wieder abgesetzt werden, weil die staatliche Kunstförderung ihre Unterstützung zurückzog. Helms hatte eine Vorschrift durchgesetzt, nach der Kunst, die „obszöne Lebensstile“ verherrliche, nicht mehr gefördert werden darf.
Die Konzernzentrale hat den Vorwurf, an Helms gespendet zu haben, bestätigt, rechtfertigt die Geldgaben aber mit dem Engagement Helms‘ für die Tabakindustrie. Der Senator sitzt für Nord-Carolina, ein Zentrum des Tabakanbaus, in Washington.
Das Unternehmen hatte zwar auch geltend gemacht, daß es größere Summen für die Aids-Forschung spende, hatte damit die Boykott-Gruppen aber nicht überzeugen können, den Aufruf wieder zurückzunehmen. „Uns geht es speziell um diese Person“, erklärte ein Aktivist gegenüber der taz.
„Verbrauchernahe“ Konzerne, das haben ähnliche Aktionen in der Vergangenheit gezeigt, reagieren extrem sensibel auf Boykott-Aufrufe. Bis die Zahlungen an Helms eingestellt sind, sollen vor allem keine „Marlboro„-Zigaretten mehr gekauft werden, die in den USA wie in der BRD am weitesten verbreitete Marke. Philip Morris stellt außerdem die Zigarettenfamilie „L&M“ und seit dem Einsteig in Dresden die DDR-Marken „F6“, „Karo“ und „Juwel“ her. Zu dem Konzern gehört auch der Nahrungsmittelhersteller Kraft (u.a. Käse und Ketchup) und alsbald der Kaffee- und Schoko-Konzern Jacobs (u.a. Suchard mit „Toblerone“ und „Milka“).
diba
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