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„Schwule ändern ihr Sexualverhalten“

■ Deutsche Aids–Hilfe legt Untersuchung vor / 924 Schwule gaben Auskunft über Safer Sex, Partnerzahlen und Informationsstand in Sachen Aids / Mehr als die Hälfte der Befragten ließ sich testen / Mittelschicht–Schwule über Risiko besser informiert als schwule Arbeiter

Aus München Andreas Salmen

Die Sexualgewohnheiten schwuler Männer in der Bundesrepublik ändern sich unter dem Eindruck von Aids. Dies ist die Botschaft einer Befragung von 924 männlichen Homosexuellen, die die Deutsche Aidshilfe gestern in München vorstellte. 81 Prozent der Befragten hätten ihr Sexualverhalten geändert, seit sie von Aids wissen. Dabei sei der Informationsstand bei „selbstbewußten Homosexuellen“ mit Abstand am besten. 52 Prozent der Männer hatten im letzten Jahr weniger als sechs Sexualpartner, nur 15 Prozent mehr als 20. Allerdings lebte bereits die Hälfte der Befragten in einer festen Partnerschaft, was der These der „Bindungslosigkeit“ schwuler Männer widerspreche. Vier Fünftel der Männer hat zumindest manchmal Analverkehr. Dieses Ergebnis stehe der Ansicht der gängigen liberalen Sexualwissenschaft entgegen, die diese Sexualpraktik nur einer Minderheit zuschreibt. Safer Sex habe sich bis hin zur Vermeidung von Zungenküssen in „hohem Umfang“ durchgesetzt. 61 Prozent der Befragten hätten bei Analverkehr „immer Kondome“ benutzt oder auf diese Sexualpraxis ganz verzichtet. Die übrigen 39 Prozent, die gelegentlich auch ohne Präservativ Analverkehr haben, leben der Studie zufolge zu 60 Prozent in stabilen Beziehungen. Die befragten Männer erhielten ihre Informationen zu Aids vor allem über das „Schwule Netzwerk“, wie Doktor Michael Bochow aus Berlin, der die Aidsstu die durchgeführt hatte, betonte. Insbesondere die Schwulenpresse und Materialverteilung über einschlägige Bars und Lokale seien für den mehrheitlich guten Informationsstand der Männer verantwortlich. Auch die Befragung selbst wurde über sechs Schwulenzeitungen organisiert. Trotz der scharfen Kritik der Aidshilfen am HIV–Antikörpertest haben 480 der Befragten, also mehr als die Hälfte, mindestens einmal einen Test durchführen lassen. Von ihnen waren 11,5 Prozent positiv. Allerdings habe sich gezeigt, daß die Beratungen vor und nach dem Test insbesondere in großen Institutionen wie Krankenhäusern sehr mangelhaft waren. Mehr als 60 Prozent der Befragten gaben an, bereits HIV–Infizierte oder Aids–Kranke in ihrem Umkreis zu kennen. In Großstädten haben bereits ein Drittel der antwortenden Schwulen Infizierte oder Kranke im engsten Freundeskreis. „Dies ist eine Aufforderung insbesondere an die bestehenden Schwulen– und Aidshilfegruppen, ihre solidarische Unterstützung zu verstärken“, sagte Bochow. Professor Rob Pielmann aus Utrecht unterstrich die Ergebnisse der Studie der Aidshilfe. Er hatte entsprechende Untersuchungen mit niederländischen Schwulen angestellt. Er wies darauf hin, daß ein HIV–Test in der Regel keinen Einfluß auf Verhaltensänderungen habe. In den Niederlanden habe Aids die Haltung gegenüber Homosexuellen nicht negativ beeinflußt, allerdings sei dort ein Diskriminierungsschutz für Schwule sogar grundgesetzlich verankert. Dok tor Michael Pollak, der seit 1985 in Paris Untersuchungen zu Veränderungen des Sexualverhaltens Schwuler durchführt, ist vorsichtiger. In seinen Untersuchungen benutzten 59 Prozent der Befragten Kondome, wobei die Regelmäßigkeit jedoch für 31 Prozent problematisch blieb. Während die „Präventionsbotschaft“ die Mittelschicht–Schwulen fast vollständig erreiche, setzten sich 40 Prozent der schwulen Arbeiter noch einem Infektionsrisiko aus. Man müsse Strategien entwickeln, um diese Unterschicht–Homosexuellen zu erreichen, sonst werde sich die Tendenz verstärken, daß Aids vermehrt in die sozial schlechter gestellten Schichten einbreche. Pollak weiter: „Wir sollten keine Triumphmeldungen produzieren, eine Ausbreitung der Krankheit findet weiter statt, wenn auch verlangsamt.“ Professor Dieter Runze, Vorsitzender der Aids–Hilfe wertete die Studie als Bestätigung der Linie der Prävention. Nicht ein „moralischer Kreuzzug“ führe weiter, sondern „die Entwicklung einer gesicherten Identität von homo– und bisexuellen Männer“. Dabei plädierte er auch für neue Formen unmittelbarer Aufklärung in Gesprächsgruppen, wie sie Kölner Aidsgruppen plane. Runze betonte, für ihn sei der Aufbau einer Präventionsarbeit notwendig, die nicht den „clean–Anspruch“ voraussetze.

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