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Archiv-Artikel

Schwitzen, bis der Arzt kommt

Heiß, heißer, Kreislaufkollaps: Das Schreckgespenst der Killerhitze geht um. Alles halb so wild, sagen Bestatter. Schlimmer als 40 Grad im Schatten seien plötzliche Wetterumschwünge. Neben kleinen Kindern sind vor allem ältere Menschen gefährdet

Bremen taz ■ Es ist heiß, aber es wird noch viel heißer, lautete gestern die erste Schreckensmeldung. 40 Grad sollen es werden und das – so Panikdepesche Nummer zwei – wo doch am Wochenende bei 30 Grad „in Holzminden fünf ältere Menschen an den Folgen der Hitze gestorben“ seien. Später am Tag widerrief die Deutsche Presseagentur diese Ferndiagnose zwar, aber dennoch: Das Schreckgespenst der Killerhitze geht um. Werden wir jetzt alle sterben? Nein, sagen Ärzte und Bestatter. Oder besser: Nicht sofort.

Wirklich kritisch werde es erst, wenn das Wetter wieder umschlägt, so die Erfahrung des Bestatters Wolfgang Grube. „Warten Sie mal eine Woche und gucken Sie sich dann die Todesanzeigen an“, empfiehlt der Mitarbeiter des Bremer Bestattungsinstituts Ge-Be-In. „Solange das Wetter stabil ist, passiert nicht viel, aber wenn es schwül oder plötzlich kälter wird, dann sterben schon mehr Leute“, sagt Grube. Deshalb hätten Bestatter auch nicht im Sommer am meisten zu tun, sondern im Frühling und im Herbst: „Wenn die Blätter kommen und wenn sie fallen“, zitiert Grube eine alte Totengräberregel.

Auch statistisch gesehen ist der Generalverdacht gegen den Sommer als Totengräber Nummer eins nicht haltbar. 605 Todesfälle hat das Statistische Landesamt im vergangenen Juli gezählt, fast genauso viele wie im Januar. 100 Tote mehr gab es dafür jeweils im April und Oktober – ein Zeichen, dass an der Blätterregel was dran sein könnte.

Eine Belastung ist das Wetter dennoch: Vor allem für Ältere und Menschen, denen ihr Kreislauf auch ohne Hitzebelastung schon zu schaffen macht. „Wir merken die Hitze daran, dass es häufiger als sonst zu Kreislauf-kollapsen kommt“, sagt Heinz-Jürgen-Engel, Chefarzt für Kardiologie am Zentralkrankenhaus Links der Weser. Schuld an diesen Zuständen sei ein Flüssigkeitsmangel, aufgrund dessen das Herz das Blut nicht mehr mit dem notwendigen Druck in den Kopf pumpen könne. „Gerade ältere Leute trinken zu wenig, da das Durstgefühl im Alter nachlässt“, erklärt Engel. Deshalb könnten Älteren häufiger mal die Beine wegklappen. Wer sich als Retter in der Not beweisen will, dem rät der Kreislaufspezialist zu einem bewährten Hausmittelchen: Füße hoch. Von rabiateren Maßnahmen rät er ab: „Bloß nicht auf dem Brustkorb rumkneten, da brechen Sie jemand am Ende die Rippen.“

Besonders gefährlich ist die Hitze auch für Säuglinge und Kleinkinder, sagt Engels Kollege, der Kinder-Herzspezialist Jan Nürnberg. „Wegen ihrer geringen Größe verlieren sie verhältnismäßig viel Flüssigkeit“, sagt er. „Die beste Kontrolle ist, ob die Windel trocken bleibt.“ Auch dann gelte: nachfüllen. Das chefärztliche Fazit für alle: „Man sollte sich bei diesen Temperaturen ruhig zum Trinken zwingen.“ Und Anstrengungen vermeiden. Das wär’s doch: Siesta halten und von 12 bis 17 Uhr in der Hängematte liegen. Eiken Bruhn