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SchwimmenKampf gegen den Abwärtsstrudel

Bäderchef Hensing verteidigt sein neues Preissystem. Er will, dass nicht nur „die Oberschicht“ ins Schwimmbad geht.

Wer eigentlich Bahnen schwimmen will, zahlt in manchen Bädern inzwischen heftig drauf. Bild: AP

Mit drastischen Worten hat der Chef der Berliner Bäderbetriebe seine Preispolitik verteidigt. „Wir stehen kurz vor dem Abgrund“, sagte Ole Bested Hensing am Freitag im Sportausschuss des Abgeordnetenhauses. Die Bäder seien defizitär. Der Abwärtsstrudel könne nur durch eine tarifliche Anpassung und ein verändertes Gesamtkonzept aufgefangen werden. Das will Hensing dem Aufsichtsrat Ende März vorstellen.

Dass Hensing ein Multifunktionsbad bauen möchte, ist indes kein Geheimnis. SPD-Fraktionschef Raed Saleh hatte sich im Dezember mit der Idee vorgewagt, ein solches Bad im Tierpark zu bauen. „Dazu wird es heute keine Aussage geben“, stellte Innen- und Sportsenator Frank Henkel (CDU) am Freitag klar.

Im Mittelpunkt der vierstündigen Ausschusssitzung stand das seit dem 1. Januar geltende neue Tarifsystem, das heftige Proteste hervorgerufen hat. „Die unsoziale Tarifsatzung muss weg“, forderte Gabriele Hiller (Linkspartei). Vor allem die Anhebung des Familientickets von 8 auf 11,50 Euro ist ihr ein Dorn im Auge. Der SPD-Abgeordnete Denis Buchner bemängelte die Preise in den drei „freizeitorientierten Bädern“: Im Kreuzberger Spreewaldbad, im Stadtbad Schöneberg und im Stadtbad Lankwitz kostet das normale Ticket 7,50 Euro.

Dass es „Irritationen“ gebe, sei ihm bekannt, so Hensing. Sein Ziel sei aber, die Freizeitbäder ihrer ursprünglichen Bestimmung zurückzuführen: Spaß haben und Planschen. Berlins Bäder würden „überwiegend von der Oberschicht“ genutzt. Für die „untere Schicht“ gebe es zu wenig Freizeitangebote. Schwimmer, die ihre Bahnen ziehen wollten, könnten auch zwei Kilometer weiter fahren.

Das normale Ticket kostet jetzt 5,50 Euro, frühmorgens und abends gilt ein Kurztarif von 3,50 Euro für 65 Minuten. Neu ist der Basitarif von 3,50 Euro wochentags in der Zeit 10 und 15 Uhr. Studenten, Schüler, Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger schwimmen in dieser Zeit für 2 Euro.

Der Basistarif sei eingeführt worden, um in den Randzeiten für die berufstätigen Sportschwimmer die Bahnen freizumachen, sagte Hensing. Rentner und Arbeitslose könnten schließlich auch tagsüber schwimmen gehen. Für eine Bilanz sei es noch so früh, aber ein erheblicher Besucherzwachs in der Basiszeit sei bereits spürbar, sagte der Bäderchef. Auch die neue Jahreskarte werde sehr gut angenommen.

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6 Kommentare

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  • A
    Aurelie

    Ganz besonders im SSE - ist das ein Hohn, das ist ein Bad das für die Olympiade gebaut wurde, in dem Rekorde geschwommen wurden. Da sind mir beim Schwimmen im 50m Becken eigentlich noch keine Aqua-Fitness-Gruppen begegnet und man kann verschiedene Nutzergruppen auch wunderbar auf verschiedene Bahnen verteilen, wenn man sich die Mühe gibt, was ja auch zum Teil bereits gängige Praxis ist. Diesen Leuten habt ihr die 120% plus aufgebrummt, aber sonst keine Alternative geschaffen. Monatskarten oder 3-Monatskarten wären vielleicht ein Thema. Und jetzt versucht ihr auch noch anzufangen, die verschiedenen

     

    "Nutzergruppen" gegeneinander auszuspielen - mir schwant wirklich ihr wollt kurzerhand eure woanders verkalkulierten Millionen auf dem Rücken derer reinholen, die eigentlich die treuesten Besucher sind. Den 588 Euro 12-Monats-Kredit geb ich euch auf keinen Fall. Wie war das mit der Daseinsfürsorge ....

     

    http://www.berlinerbaeder.de/?id=323

    https://www.facebook.com/BaederinBerlin

  • A
    Aurelie

    Ja haben's denn diese Nichtschwimmer und Spaßbader immer noch nicht begriffen: Es gibt Menschen verschiedenster Bevölkerungsgruppen (vom leicht behinderten Menschen über ältere Leute, gern Rentner genannt, über Studenten bis hin zu trainierten Freizeitsportlern) die der Gesundheit und Fitness wegen als sogenannte Vielschwimmer mehrmals die Woche die Früh- oder Abendstunden dafür benutzen (und mehr als 3 Bahnen schwimmen!, nicht baden). Was soll denn diese verlogene Polemik "Sie sind nicht vollständig weggefallen, sie heißen jetzt nur anders" - de facto sind sie unter den Tisch gekehrt worden diese Menschen, die mit ihrem häufigen Besuch eine ganze Menge reinschwimmen. Für diese Leute sind die 5,50 (120% Preiserhöhung seit 4/13) mehr als eine Zumutung, 45min sind für einen Ausdauersport absurd, die haben auch was tun tagsüber und können nicht zwischen 10-15 Uhr, und genauso indiskutabel ist die 588 Euro teure Jahreskarte, auch weil viel zu risikoreich (berufl. unterwegs, Student + Semester-freie Zeit, Krankheit, Verletzung, ... BVG fährt man auch noch mit ner kl. Grippe oder ner Prellung, Schnittwunde, Hautentzündung - Schwimmen geht man nicht) dazu ist sie scheinbar nicht übertragbar eure tolle Premiumkarte. Mann! diese Leute wollen (viele) Bahnen schwimmen, warm duschen, umziehen, föhnen -basta !!! - die brauchen keine Zusatzangebote.

  • B
    Bade-Ente

    Herr Bedsted ist Däne.

    Bitte mal nach Dänemark schauen, wo da das Soziale mit dem Unsozialen ausgetauscht worden ist.

    Mich wundert hier nix mehr.

    In Dänemark sind Behinderte, Alte und Kranke an den gesellschaftlichen Rand abgedrängt worden.

    Vielleicht sollte Herr Bedsted mal die offensichtlich dänisch inspirierte (in Berlin: mit Hilfe des Preises) Entsorgung von Alten, Behinderten und Kranken aus seinen Gedanken verbannen, wenn er die Preise macht. Damit wäre bestimmt Vielen bereits ein wenig geholfe, wie Bedsted selber auch geholfen wäre.

  • F
    Freischwimmer

    Zum Jahresende alles mal schnell auf den Kopf gestellt. Warum kann man das nicht wenigstens früher kommunizieren? Kein Respekt vor dem Bürger.

  • Für Vielschwimmer ist die Jahreskarte das entscheidende Element des neuen Tarifsystems. Leider sind die Bäderbetriebe bislang nicht in der Lage Jahreskarten tatsächlich auszustellen. Wer täglich schwimmt zahlt deshalb derzeit 150.- Euro im Monat. Die administrative Unfähigkeit wird auf dem Rücken der Kunden ausgetragen. Rücksicht auf deren Bedürfnisse scheint nicht im neuen Programm der Bäderbetriebe zu stehen.

    • DU
      Die untere Schicht
      @Delphina Jorns:

      Ich bin als Diabetiker auf tägliches Schwimmen angewiesen. Einfach von heute auf morgen 100.- EUR mehr pro Monat aufbringen kann ich nicht. Für Januar hat mich ein Freund spontan gesponsort.

       

      Eine neue Tarifordnung innerhalb von zwei Wochen durchzusetzen ohne die administrativen Voraussetzungen für die Realisierung der entlastenden Elemente zu schaffen ist verantwortungslos.