Schwimmen in der Spree: Schluss mit der Scheiße
Nach langem Hinhalten wird ein neues Berliner Kapitel aufgeschlagen: Fäkalien fließen in einen Behälter statt in die Spree.
Ralf Steeg weiß nicht so recht, ob er sauer sein soll oder glücklich. Deshalb ist er beides. Sauer, weil ihn alleine die landeseigene Berliner Hafen und Lager-Gesellschaft Behala vier Jahre daran gehindert hat, sein Projekt „Spree 2011“ zu realisieren. Glücklich, weil es nun doch klappt: Am Freitag werden am Osthafen vier Pfähle in den Spreegrund gerammt. Ab Juni wird dann das Abwasser aus dem Überlaufrohr in den Tank am Ufer fließen – und nicht mehr in die Spree. „Hätte es die Verzögerungen nicht gegeben, hätten wir das schon viel früher geschafft“, sagt Steeg – wütend und erleichtert.
Spree 2011, das klang 2005, als der Umweltingenieur seine Idee vorstellte, noch nach ferner Zukunft. „Die Berliner sollen in der Spree wieder baden können“, versprach Steeg und wusste auch, wie: An die 63 Überlaufrohre der Mischwasserkanalisation werden Tanks angebracht. Dort hinein fließt, bei Starkregenfällen, jenes Abwasser, das die Kanalisation dann nicht mehr aufnehmen kann. Ist die Kanalisation wieder frei, werden Abwasser und Fäkalien zurückgepumpt. „Das Wasser der Spree ist dann sauber“, so Steeg.
So bestechend war die Idee, dass Steeg und seine Firma Luri Watersystems zwei Millionen vom Bundesforschungsministerium bekamen. Der neuen Technologie sollte eine faire Chance gegeben werden. Steeg selbst wollte mit dem Tank am Osthafen eine Pilotanlage bauen – um seine Technologie anschließend verkaufen zu können. „Der Bedarf ist da“, sagt er. Insgesamt 21.000 Regenüberlaufbecken gibt es in Deutschland. „Jedes von ihnen ist einzeln angefertigt, Bauzeit anderthalb Jahre.“ Steegs Tanks dagegen sind nach einen Modularsystem erweiterbar. „Das kann man nicht nur überall einsetzen – auch die Bauzeit beträgt nur vier Monate.“
Dass sie in Berlin sieben Jahre betrug, lag zunächst an den Behörden. Vier Genehmigungen mussten eingeholt werden: Beim Bezirk, bei den Wasserbetrieben, beim Wasser und Schiffffahrtsamt, bei der Umweltverwaltung. Heute sagt Steeg, er fühle sich an Nietzsche und seine drei Phasen eines Projekts erinnert. „In der ersten Phase bist du der Spinner, in der zweiten machen sie dir das Leben zur Hölle, in der dritten wollen alle von Anfang an dabei gewesen sein.“
Die Behala ist nietzschemäßig noch immer auf Stufe zwei. „Bei mir hält sich die Freude in Grenzen“, sagt Peter Stäblein der taz. Der Behala-Chef macht aus seiner Ablehnung kein Hehl. „Wir wollen das Grundstück verkaufen, da ist eine solche Anlage hinderlich.“
Die Behala ist der Eigentümer des Grundstücks Stralauer Allee 5, unter dem die Leitung des Überlaufrohrs der Wasserbetriebe verläuft. Dass die Anlage am Ende doch gebaut werden konnte, lag am ehemaligen Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke). Der hat die Behala zur Zustimmung gedrängt. Peter Stäblein sagt es deshalb so: „Wir haben einem Forschungsprojekt zugestimmt. Und wir sind froh, wenn das Froschungsprojekt zu Ende ist.“
Ralf Steeg sieht das anders – und schon ist ihm der Ärger wieder anzusehen. Ursprünglich sollte auf dem Ponton ein Café entstehen. Die Behala hat es verboten. Dann sollten Führungen stattfinden. Auch das lehnte die Behala ab. Selbst den symbolischen Rammschlag am Freitag hat die Behala untersagt – da ist Steeg dann der Kragen geplatzt. Kurzerhand hat er ein Schiff besorgt, nun werden die Pfähle wasserseitig eingerammt. „Und das mit dem Café kriege ich auch noch hin“, sagt er siegesgewiss. „Ich bin schließlich hartnäckig.“
Hartnäckig, das musste er auch sein. Nicht nur die Behala ließ Spree 2011 auf Grund laufen, auch das Forschungsministerium drohte plötzlich, wegen der jahrelangen Verzögerungen die Gelder zurückzuziehen. Und dann wurde – wegen zahlreicher neuer Auflagen – die Pilotanlage mit 1,55 Millionen Euro plötzlich 600.000 Euro teurer als geplant. „Im November war das ganze praktisch tot“, sagt Steeg.
Doch dann sprang die Stiftung Zukunft ein und sicherte die Finanzierung. Die Umweltverwaltung genehmigte den Antrag in nur zwei Monaten – und auch die Wasserbetriebe zogen mit. „Im Juni ist alles fertig“, freut sich Ralf Steeg. Dann kann er endlich auch den zahlreichen Interessenten seine Anlage zeigen – wenn die Behala den Zugang übers Grundstück sperrt, dann eben wieder per Schiff.
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