Schwimm-EM in Budapest: Fernduell der Titanen
Paul Biedermann geht als der designierte Star der EM in Budapest in die Rennen über 200 und 400 Meter Freistil - sein wichtigster Gegner aber schwimmt gar nicht mit.
BUDAPEST taz | Es war Sommer gestern in Budapest. Ein laues Lüftchen wehte über das Becken auf der Margareteninsel, die Sonne brannte vom blauen Himmel, und die Temperaturanzeige kletterte schon um 10 Uhr vormittags auf 31 Grad. Paul Biedermann hatte da gerade seine ersten Bahnen unter Wettkampfbedingungen absolviert - und war bei seinem Vorlauf über 400 Meter Freistil haargenau 10 Sekunden langsamer als bei seinem WM-Sieg in Weltrekordzeit über diese Distanz. Das war im vergangenen Juli in Rom.
Inzwischen tragen die Schwimmer wieder altertümliche Bademode - doch Biedermann, einem großen Freund der verbotenen Kunststoffanzüge, machte am Montagmorgen noch etwas anderes zu schaffen. "Ich habe kein so gutes Gefühl wie noch bei der WM in Rom", meinte der 24-Jährige, nachdem er als Vorlauf-Dritter in das Finale am Sonntagabend gekrault war, nachdenklich. Denn: "Das Wasser hier ist weicher und wärmer, das liegt mir nicht so." Da half es auch nichts, dass ihm Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen, seine wegen Trainingsrückstands zur ARD-Expertin umfunktionierte Freundin, auf der Tribüne die Daumen drückte.
Neben dem blonden Privatdoping begleitet den Praktikanten der Wasserwerke Halle an der Saale im Alfréd Hajós Schwimmkomplex aber noch ein ganz anderes Aufputschmittel: Michael Phelps, der ihm auf seiner Paradestrecke, den 200 Metern Freistil, erst vor wenigen Tagen im Fernduell die Weltjahresbestzeit geklaut hat - eine Tat, die Biedermann als Hauptmotivation zu den kontinentalen Titelkämpfen mitnahm. Heute beginnen die Vorläufe über 200 Meter Freistil, am Mittwoch steigt das Finale, und der Titel, so Deutschlands Schwimmstar, habe Priorität. Danach aber will Biedermann "auch wieder die Weltjahresbestzeit haben".
Das wäre, findet der gebürtige Hallenser, "mal wieder ein schöner Gruß nach Amerika". Sind doch die direkten Duelle mit Phelps, dem Megastar der Schwimmszene, für Biedermanns Empfinden eindeutig zu rar gesät. Dabei ist er überhaupt erst vor einem Jahr und zudem völlig unerwartet auf den Geschmack gekommen. "Vor Rom gab es für mich das Duell gegen Phelps ja gar nicht - weil ich nie dachte, dass ich ihn schlagen kann", blickt der Doppel-Weltmeister von 2009 noch immer staunend zurück. Dann aber besiegte er den Überschwimmer, machte ihn über vier Bahnen Kraul gar "zu Brei", wie Phelps selbst nach seiner Niederlage stöhnte. Und jetzt muss die Geschichte irgendwie weitergehen.
Zumal nun, da die Weltrekordflut der letzten zwei Jahre gerade auf die anzuglosen Männer wie ein weit entfernter Traum wirkt, fürs Erste nicht mehr vorrangig die Zeiten zählen, sondern das Duell Mann gegen Mann. In diesem Rahmen dürfte der Zweikampf Biedermann gegen Phelps bis zu den Olympischen Spielen 2012 das Highlight darstellen. Und Biedermann, der seinen Materialvorteil gegenüber dem 14-maligen Olympiasieger aus den USA in Rom konsequent ausnutzte, scheut sich nicht, dieses Titanentreffen verbal anzufeuern.
Das liegt sicher mit daran, dass eine Kontaktaufnahme mit Phelps fast unmöglich ist - selbst wenn der mal direkt neben ihm im Aufwärmraum sitzt. Keine zwei Sätze haben die beiden Schwimmer miteinander gewechselt seit Biedermanns steilem Aufstieg im Sommer 2009, der auch von Argwohn begleitet wird. Beim Berliner Kurzbahn-Weltcup im vergangenen November, einem der seltenen direkten Duelle, saßen Biedermann und der stets von stämmigen Sicherheitskräften umgebene Phelps wie zwei Taubstumme nebeneinander. Nun, in Budapest, ist Phelps zwar auch stumm, aber doch irgendwie ständig dabei.
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