: Schwere Zeiten, alte Zeiten
■ Schwere Zeiten brechen für den Kreuzberger Kinderbauernhof am Mauerplatz an: Senat beschloß das Aus für den in der Vergangenheit schon hartumkämpften Platz
Kreuzberg. Noch glitzert der selbstangelegte Teich ruhig in der Sonne, die Schweine suhlen sich im Schlamm, und der Hofhund jagt ein weißes Kaninchen. Ein blondes Mädchen hilft mit stolzem Gesicht, den Pferdestall auszumisten, und auf der Wiese erproben Kinder den Gartenschlauch. Doch die Idylle des Kinderbauernhofs Mauerplatz soll bald ein Ende haben: Am 12. Mai hat der Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses das Aus beschlossen. Grundlage ist das Haushaltsgesetz, das nur einen Kinderbauernhof pro Stadtbezirk zuläßt. Da Kreuzberg noch den Kindernbauernhof am Görlitzer Park habe, sei der Mauerplatz einer zuviel. Ende des Jahres endet deshalb die Finanzierung durch die Senatsverwaltung für Jugend und Familie.
Dabei hat die Jugendverwaltung in ihrem vorgelegten Bericht den Kinderbauernhof durchaus positiv bewertet. Das Konzept orientiere sich an bewährten Formen der offenen Kinderarbeit auf Spielplätzen mit Tierhaltung. Zudem habe Kreuzberg verglichen mit anderen Bezirken weit weniger Grün und Kinderspielplätze. „Aus diesem Grund und wegen der großen Zahl der im Einzugsbereich der zwei Kinderbauernhöfe lebenden Kinder ist die Fortsetzung der bestehenden Kinderbauernhöfe für Kreuzberg wichtig“, heißt es.
Trotzdem schlägt das Papier vor, anstelle des Kinderbauernhofes am selben Ort einen pädagogisch betreuten Spielplatz einzurichten. „Das Haushaltsgesetz läßt uns keine andere Handlungsmöglichkeit“, sagte Sprecher Thorsten Schilling. Wenn der Bezirk rechtzeitig eine entsprechende Planung vorlege, werde man die Projektfinanzierung für den Bauernhof im nächsten Jahr dem Spielplatz zur Verfügung stellen.
Im Bezirk ringen unterschiedliche Interessengruppen um das Grundstück. Da es an Schulen fehlt, will das Schulamt dort bauen. Eine Kindertagesstätte ist schon lange geplant. Auch die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen hat Interesse angemeldet. Innerhalb der nächsten Woche soll eine Gesamtplanung vorliegen, die eine Kita, eine Schule und einen pädagogischen Spielplatz mit 4.000 Quadratmetern auf dem Gelände unterbringt. „Der Bezirk kann über den Charakter des Spielplatzes selbst bestimmen“, sagt Jugendstadtrat Helmut Borchardt (SPD). „Vielleicht ist da ein natürlicher und ökologischer Ansatz im Rahmen eines pädagogischen Konzepts möglich.“
„Wir haben hier doch seit zwölf Jahren einen pädagogisch betreuten Spielplatz“, kritisiert Annette Martens, Erzieherin auf dem Kinderbauernhof. „Auf 4.000 Quadratmetern wird das doch höchstens ein Streichelzoo.“ Auf einem Plenum am letzten Freitag beschlossen die Mitglieder, sich an Kreuzbergs Baustadträtin zu wenden. „Wir wären damit einverstanden, wenn die Kita und einige Wohnungen auf das Gelände kämen“, sagt Martens. Aber den Garten und den Acker, wo exemplarisch Gemüse und Viehfutter angebaut werden, sowie die Pferdekoppel mit den beiden Ponys wollen sie nicht aufgeben. „Wir gehen hier jedenfalls nicht weg“, bekräftigt ihre Kollegin Susanne. Und Hartnäckigkeit haben sie in der Vergangenheit bereits bewiesen: Jahrelang wehrten sie sich gegen den Bau einer Kita auf ihrem Gelände – am Ende erfolgreich. Corinna Raupach
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