: Schwere Mängel bei Qualifizierung
■ Bildungsmaßnahmen in den neuen Ländern weisen nach einer Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeit schwere Defizite auf/ Bildungsträger sind oft nur auf eine schnelle Mark aus
Berlin (ap/dpa/taz) — Bei den Lehrgängen zur Berufsausbildung in den neuen Bundesländern gibt es offenbar schwerwiegende Mängel. Viele der angebotenen Projekte entsprechen nicht den Anforderungen der Bundesanstalt für Arbeit. Das ergab eine Untersuchung, bei der insgesamt 94 unterschiedliche Bildungsmaßnahmen kontrolliert wurden. Bei acht Lehrgängen wurden schwere Mängel festgestellt, mit zwei Bildungsträgern wurde die Zusammenarbeit sogar völlig eingestellt. Es werden jedoch noch weitere „schwarze Schafe“ unter den Institutionen vermutet, die aus der notwendigen Qualifizierung ein schnelles Geschäft machen wollen.Der Präsident der Nürnberger Bundesanstalt, Heinrich Franke, kündigte gestern ein hartes Durchgreifen seiner Behörde bei künftigen Förderungen an. Die Nachforschungen ergaben, daß keine oder nur geringfügige Mengen lediglich bei weniger als einem Drittel aller Berufs-Lehrgänge vorhanden waren. Die Defizite reichten von unzureichender räumlicher und technischer Ausstattung über mangelhafte Qualifikation der Lehrkräfte bis zu häufigem Unterrichtsausfall. „Bildungsträger, die nur eine schnelle Mark machen wollen, haben keine Existenzberechtigung“, erklärte Franke. Daß qualifizierte Arbeitskräfte in den neuen Bundesländern an allen Ecken fehlen, wird nicht nur von Unternehmen bemängelt. Auch öffentliche Einrichtungen und Verwaltungen leiden unter dem ausgezehrten Arbeitsmarkt für Fachkräfte und müssen vielfach auf Beschäftigte aus dem Westen zurückgreifen. Der wirtschaftliche Kollaps in vielen Regionen und die höheren Löhne im Westen haben die jungen und qualifizierten Arbeitnehmer reihenweise in die alten Bundesländer getrieben. Ohne qualifizierte Fachkräfte aber ist der Aufbau neuer Industrie- und Verwaltungsstrukturen im Osten nicht möglich. Nicht zuletzt deshalb hat die Bundesanstalt ihr Engagement bei Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen drastisch verstärkt. Nach den Worten Frankes gab die Bundesanstalt 1991 für berufliche Fortbildung, Umschulung und Einarbeitung einschließlich Unterhaltsgeld in den neuen Ländern 4,735 Milliarden Mark aus. 1992 soll der Etat für den Osten auf fast das Doppelte aufgestockt werden. Im letzten Jahr hätten 892.100 Arbeitnehmer eine vom Arbeitsamt geförderte berufliche Weiterbildung begonnen. Ende des Jahres hätten sich 435.000 Arbeitnehmer in derartigen Lehrgängen befunden. Im Westen sind 7,3Milliarden Mark vorgesehen. Damit würden diese Ausgaben fast ein Fünftel des gesamten Haushaltsvolumens der Bundesanstalt betragen. Insgesamt stehen ihr 85,2 Milliarden Mark zur Verfügung, davon 44 Milliarden für die neuen Bundesländer.
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