: Schwere Arbeit
(...) Undifferenziert, dafür aber plakativ und medienwirksam („die Berater sind nicht erreichbar weil sie angeblich gerade zur ,Fortbildung' sind“, siehe taz und Spiegel) werden engagierte Sozialarbeiter pauschal in die Nähe fauler Steuergeldverschwender gerückt.
Im Kontext der aus der Wirtschaft adaptierten Qualitätssicherungsdiskussion stellt Dr. Bossong einen umfassenden Forderungskatalog auf, der sich zum Teil die Schwächen der gängigen Drogenhilfe zunutze macht. (...)
Die Forderungen nach wissenschaftlicher Fundierung der Arbeit und quantifizierbare Erfolgsnachweise der Drogenhelfer sind legitim und berühren ein Dilemma, was die Drogenhilfe insgesamt seit Jahren mit sich herumschleppt.
Es ist zu belegen, ob die manchmal auch nur geringen Erfolge (hohe Rückfallquote) in der Drogenarbeit mehr oder weniger Zufallsprodukte sind, wie es manche Kritiker behaupten (z. B. Spontanremissionen) oder Früchte einer professionellen beraterischen oder therapeutischen Arbeit.
Die Behandlung und Betreuung von Drogenabhängigen stellt sich jedoch häufig nicht so leicht dar wie vielleicht zu wünschen ist. (...) Es fehlt immer noch eine schlüssige allgemeine Suchttheorie, auf der entsprechende Behandlungskonzepte entwickelt werden können, die zielgerichtet und nachprüfbar sind.
Abhängige Menschen von Drogen sind oft mit den gängigen sozial- und psychotherapeutischen Interventionen nur schwer zu erreichen und die Drogensubstanz ist allzuhäufig ein übermächtiger Gegner erfolgreicher Arbeit.
Außerdem sind Drogenabhängige ein eher schwieriges Klientel (z. B. compliance), um das andere Berufsgruppen bisher einen großen Bogen gemacht haben. In diesem Zusammenhang das globale Prinzip Klientenzufriedenheit zum Handlungsziel zu erheben, wie es Bossong in seinem Papier tut (nach dem Motto: Der Kunde ist König!), scheint mir in der Drogenarbeit problematisch zu sein. Wirtschaftliche Grundsätze lassen sich nicht einfach auf die Suchtkrankenhilfe übertragen.
Sicherlich ist die Frage erlaubt, ob die Millionen in der Drogenhilfe effektiv verwendet werden und die Forderung nach professionellen Standards in der Drogenhilfe berechtigt. Dafür ist jedoch eine differenzierte und konstruktive kritische Analyse der Drogenarbeit in Zusammenarbeit mit den Drogenberatern hilfreicher als der Weg der polarisierenden öffentlichen Kritik mit polemischen Untertönen.
Bossong ist über das Ziel hinausgeschossen und erzeugt damit Reaktanz und Gegenwehr. (...) Den drogenabhängigen Menschen insgesamt kommt dieses Scharmützel nicht zugute. Schade!
Manfred Tallarck (Drogen- berater, Dipl. Psychologe)
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