Schwerbehinderte wehrte sich: Illegale Kündigung bei CDU-Verband
Eine Frau bekommt Krebs. Nach der Therapie will sie zurück an ihren Arbeitsplatz beim CDU-Wirtschaftsrat Sachsen-Anhalt – doch der ist weg. Vor Gericht bekam sie jetzt Recht.
BERLIN taz | Der "Wirtschaftsrat der CDU", eine Vorfeld-Organisation der Partei und wichtige Lobbyorganisation von unionsnahen Unternehmern, hält gern die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft hoch - mit Betonung auf "sozial". So schrieben etwa die Landesverbände Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt vor einem Jahr: "Mehr denn je benötigen wir eine Rückbesinnung auf bürgerliche Werte, sozialverantwortliches Unternehmertum und eine Politik, die allen Bürgern das Rüstzeug dafür gibt, sich den aktuellen Herausforderungen mit Zuversicht, Tatkraft und Selbstbewusstsein zu stellen." Bei ihren eigenen Angestellten aber will der CDU-Wirtschaftsrat von "sozialverantwortlichem Unternehmertum" wenig wissen.
Das zeigt der Umgang des CDU-Wirtschaftsrats Sachsen-Anhalt mit einer langjährigen Mitarbeiterin, der gekündigt wurde, obwohl - oder gerade weil - sie krebskrank und nun schwerbehindert ist. Die 44-jährige Assistentin des Wirtschaftsrates, Christine Weile, verlor Ende 2009 unter fadenscheinigen Gründen ihren Arbeitsplatz. Nun hat sie vor dem Arbeitsgericht Berlin gegen die "betriebsbedingte Kündigung" geklagt.
Christine Weile begann ihre Arbeit beim CDU-Wirtschaftsrat im Oktober 1998 als Sekretärin, seit März 2007 war sie die Assistentin der Geschäftsführung in Magdeburg. Im Sommer 2008 wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert, gut ein Jahr lang dauerte ihre Behandlung - aber sie zeigte weiter auch vom Krankenbett aus vollen Einsatz für den Wirtschaftsrat: Teilweise habe sie ihre Vertretung telefonisch von der Chemoambulanz aus eingearbeitet, erzählt sie. Nach und nach konnte sie dann wieder arbeiten, bis sie etwa ab August vergangenen Jahres wieder ihre vollen acht Stunden täglich in der Geschäftsstelle schaffte.
Nach acht Wochen in ihrer alten Arbeit bat die Geschäftsführung sie, doch den übrig gebliebenen Urlaub der Jahre 2008 und 2009 in einem Schwung zu nehmen. Sie sollte am 11. Januar dieses Jahres wieder in ihre alte Stelle zurückkehren, so war es ausgemacht. Bei zwei Feiern des Wirtschaftsrates Ende 2009 hieß es: Man freue sich auf ihre Rückkehr. Christine Weile hat wegen der Chemotherapie viele Haare verloren. Durch ihre Erkrankung gilt sie nun als zu 50 Prozent körperbehindert.
Kurz vor Weihnachten erhielt Christine Weile die Nachricht, dass ihr Arbeitsplatz weggefallen sei. Ihr bisheriger Arbeitgeber argumentierte: Es sei nicht mehr nötig, ihren Arbeitsplatz zu besetzen: weil die Zahl der Wirtschaftsrat-Mitglieder abgenommen habe. Weil nun der Geschäftsführer selbst und Ehrenamtliche ihre Aufgaben übernehme. Und weil die Bundesgeschäftsstelle in Berlin zukünftig den Rest schultern wolle.
Diese Argumente aber hält Christine Weile für vorgeschoben: Der Rückgang der Mitgliederzahl sei nur gering und der normalen Fluktuation innerhalb eines Jahres geschuldet. Außerdem sei die Arbeit ohne Assistenz gar nicht zu schaffen, auch kleinere Wirtschaftsräte in anderen Bundesländern hätten sie. Sie glaubt vielmehr: "Kranke Menschen werden nicht gern gesehen beim Wirtschaftsrat", sie sei "einfach entsorgt worden". Sie klagte auf Wiedereinstellung.
Ein Gütetermin Anfang Januar scheiterte - der Wirtschaftsrat wollte Christine Weile nur eine symbolische Abfindung von 2.000 Euro zahlen. Bei der eigentlichen Verhandlung am Donnerstagnachmittag in Berlin konnten die Vertreter des Wirtschaftsrates mit ihrer Position nicht überzeugen. Schon während der Verhandlung signalisierte der Richter sein Unverständnis über die teilweise wirre Argumentation - so blieb etwa auch nach längerem Nachfragen völlig unklar, ob Christine Weile nun eine Ersatzarbeitsstelle angeboten wurde oder nicht.
Maximal 7.500 Euro wollte der Wirtschaftsrat bei einem Vergleich an Christine Weile zahlen. Sie lehnte ab - und erhielt am Donnerstagabend Recht: Ihrer Klage wurde stattgegeben, die Kündigung ist unwirksam. Solange das schriftliche Urteil noch nicht vorliegt, will ihr Vorgesetzter sich nicht äußern. "Ich bin so glücklich", sagt Christine Weile. Ihr Anwalt geht davon aus, dass der Wirtschaftsrat in Berufung gehen werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen