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Schwerbehinderte wehrte sichIllegale Kündigung bei CDU-Verband

Eine Frau bekommt Krebs. Nach der Therapie will sie zurück an ihren Arbeitsplatz beim CDU-Wirtschaftsrat Sachsen-Anhalt – doch der ist weg. Vor Gericht bekam sie jetzt Recht.

Man freue sich auf ihre Rückkehr, sagte man Christine Weile. Bild: Fernando de SousaCC-BY-SA

BERLIN taz | Der "Wirtschaftsrat der CDU", eine Vorfeld-Organisation der Partei und wichtige Lobbyorganisation von unionsnahen Unternehmern, hält gern die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft hoch - mit Betonung auf "sozial". So schrieben etwa die Landesverbände Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt vor einem Jahr: "Mehr denn je benötigen wir eine Rückbesinnung auf bürgerliche Werte, sozialverantwortliches Unternehmertum und eine Politik, die allen Bürgern das Rüstzeug dafür gibt, sich den aktuellen Herausforderungen mit Zuversicht, Tatkraft und Selbstbewusstsein zu stellen." Bei ihren eigenen Angestellten aber will der CDU-Wirtschaftsrat von "sozialverantwortlichem Unternehmertum" wenig wissen.

Das zeigt der Umgang des CDU-Wirtschaftsrats Sachsen-Anhalt mit einer langjährigen Mitarbeiterin, der gekündigt wurde, obwohl - oder gerade weil - sie krebskrank und nun schwerbehindert ist. Die 44-jährige Assistentin des Wirtschaftsrates, Christine Weile, verlor Ende 2009 unter fadenscheinigen Gründen ihren Arbeitsplatz. Nun hat sie vor dem Arbeitsgericht Berlin gegen die "betriebsbedingte Kündigung" geklagt.

Christine Weile begann ihre Arbeit beim CDU-Wirtschaftsrat im Oktober 1998 als Sekretärin, seit März 2007 war sie die Assistentin der Geschäftsführung in Magdeburg. Im Sommer 2008 wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert, gut ein Jahr lang dauerte ihre Behandlung - aber sie zeigte weiter auch vom Krankenbett aus vollen Einsatz für den Wirtschaftsrat: Teilweise habe sie ihre Vertretung telefonisch von der Chemoambulanz aus eingearbeitet, erzählt sie. Nach und nach konnte sie dann wieder arbeiten, bis sie etwa ab August vergangenen Jahres wieder ihre vollen acht Stunden täglich in der Geschäftsstelle schaffte.

Nach acht Wochen in ihrer alten Arbeit bat die Geschäftsführung sie, doch den übrig gebliebenen Urlaub der Jahre 2008 und 2009 in einem Schwung zu nehmen. Sie sollte am 11. Januar dieses Jahres wieder in ihre alte Stelle zurückkehren, so war es ausgemacht. Bei zwei Feiern des Wirtschaftsrates Ende 2009 hieß es: Man freue sich auf ihre Rückkehr. Christine Weile hat wegen der Chemotherapie viele Haare verloren. Durch ihre Erkrankung gilt sie nun als zu 50 Prozent körperbehindert.

Kurz vor Weihnachten erhielt Christine Weile die Nachricht, dass ihr Arbeitsplatz weggefallen sei. Ihr bisheriger Arbeitgeber argumentierte: Es sei nicht mehr nötig, ihren Arbeitsplatz zu besetzen: weil die Zahl der Wirtschaftsrat-Mitglieder abgenommen habe. Weil nun der Geschäftsführer selbst und Ehrenamtliche ihre Aufgaben übernehme. Und weil die Bundesgeschäftsstelle in Berlin zukünftig den Rest schultern wolle.

Diese Argumente aber hält Christine Weile für vorgeschoben: Der Rückgang der Mitgliederzahl sei nur gering und der normalen Fluktuation innerhalb eines Jahres geschuldet. Außerdem sei die Arbeit ohne Assistenz gar nicht zu schaffen, auch kleinere Wirtschaftsräte in anderen Bundesländern hätten sie. Sie glaubt vielmehr: "Kranke Menschen werden nicht gern gesehen beim Wirtschaftsrat", sie sei "einfach entsorgt worden". Sie klagte auf Wiedereinstellung.

Ein Gütetermin Anfang Januar scheiterte - der Wirtschaftsrat wollte Christine Weile nur eine symbolische Abfindung von 2.000 Euro zahlen. Bei der eigentlichen Verhandlung am Donnerstagnachmittag in Berlin konnten die Vertreter des Wirtschaftsrates mit ihrer Position nicht überzeugen. Schon während der Verhandlung signalisierte der Richter sein Unverständnis über die teilweise wirre Argumentation - so blieb etwa auch nach längerem Nachfragen völlig unklar, ob Christine Weile nun eine Ersatzarbeitsstelle angeboten wurde oder nicht.

Maximal 7.500 Euro wollte der Wirtschaftsrat bei einem Vergleich an Christine Weile zahlen. Sie lehnte ab - und erhielt am Donnerstagabend Recht: Ihrer Klage wurde stattgegeben, die Kündigung ist unwirksam. Solange das schriftliche Urteil noch nicht vorliegt, will ihr Vorgesetzter sich nicht äußern. "Ich bin so glücklich", sagt Christine Weile. Ihr Anwalt geht davon aus, dass der Wirtschaftsrat in Berufung gehen werde.

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13 Kommentare

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  • V
    venceramos

    Unloyal, ungerecht, unsozial, unchristlich hat sich der CDU-Wirtschaftsrat gegenüber seiner langjährigen Mitarbeiterin verhalten! UNMÖGLICH! Versteht die Führungsriege, Lauk, Steiger, von Bismarck, das unter Sozialer Marktwirtschaft? Wir sind hier (noch) nicht in China! Vielleicht sollte sich der CDU-Wirtschaftsrat in CUC umtaufen (Chaos Unternehmer Club). Sieht so ähnlich aus, ist aber prägnanter. Müssen sie nur aufpassen, dass sie nicht vom Chaos Computer Club wegen Rufschädigung belangt werden.

     

     

    Bleiben Sie stark Frau Weile und gesund!!

  • M
    Maurizio

    Es ist schön, wenn sich ein Freund oder die Familie mit dir an positiven Veränderungen in deinem Leben erfreut, hinter dir steht und dich unterstützt. Das gibt einem die Stärke, für sich selbst gut zu sorgen und seine Pläne mit viel Engagement und Herzblut weiter zu verfolgen!

    Nicht immer läuft alles nach den eigenen Wünschen ab, und der eingeschlagene Weg enthält mehr Hürden als vermutet. Was aber zählt ist der Wille, nicht aufzugeben, sich umsetzbare Ziele zu setzen und Bestätigung von außen zu holen für das schon Erreichte!

  • B
    Beobachter

    Beim Wirtschaftsrat der CDU e.V. scheint es gar keinen Fall Weile zu geben. Frau Weile ist lediglich krank.

     

    Wer Frau Weile, c.weile@wirtschaftsrat.de , schreibt, bekommt folgende Antwort:

     

    Betreff: Christine Weile ist erkrankt

     

     

    Aufgrund von Erkrankung wird diese Mail von Frau Weile momentan nicht bearbeitet. Bitte wenden Sie sich mit Anliegen, die den Wirtschaftsrat betreffen bitte an Friedrich v. Bismarck:

    f.vonbismarck@wirtschaftsrat.de

     

    Laut Selbstdarstellung zeichnet sich der Wirtschaftsrat hierdurch aus:

     

    Unternehmer tragen Verantwortung

    "Das Staatsversagen in Deutschland muss überwunden werden. Der Wirtschaftsrat ist die Speerspitze der Erneuerung in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Leistung und Eigenverantwortung haben für uns Priorität. Sie entscheiden über Deutschlands Wiederaufstieg zur erfolgreichen Wirtschaftsnation."

     

    Prof. Dr. Kurt J. Lauk

    Präsident

     

     

    Sieht die gelebte Praxis hinter diesen Worten für Deutschlands Arbeitnehmer wie bei Frau Weile aus?

     

     

    Fragen?

     

    Antworten unter Magdeburg: (03 91) 5 31 20 90 (Herrn v. Bismarck verlangen)

     

    Berlin: (030) 240 87 100 (Herrn Steiger verlangen, Generalsekretär des Wirtschaftsrates)

     

    Stuttgart: Prof. Lauk, Globe Capital Partners, Königstr. 1A, 70173 Stuttgart

    Fax: (07 11) 2 84 1694 , Herrn Prof. Lauk faxen. Telefon scheint seine Firma nicht zu haben. Noch mehr Infos erwünscht? Einfach die Website des Prof. Lauk aufrufen: http://www.globecapitalpartners.de/

     

    Prof. Lauk ist auch Wirtschaftsberater unser Kanzlerin. Einfach Frau Merkel fragen.

     

    Angela.Merkel@cdu.de

  • C
    Chico

    Christliche Nächstenliebe

     

    Das muss man sich mal vorstellen: Da gibt es eine beruflich und gesellschaftlich engagierte Frau, Christine Weile. Sie ist seit mehr als zehn Jahren in ihrem Unternehmen tätig. Ihr Arbeitsplatz ist das Büro eines Geschäftsführers, der für den Wirtschaftsrat der CDU in Sachsen-Anhalt arbeitet. Christine Weile ist Assistentin und linke Hand des Geschäftsführers.

     

    Sie koordiniert seine Termine, bereitet Treffen vor, führt Protokoll, vermittelt Telefonate - selbst Praktikanten werden von ihr bestens betreut. Sie ist kompetent, freundlich und zuverlässig. Ihre Arbeit wird geschätzt. Ihre Arbeitstage enden häufig spät und beginnen dennoch früh am nächsten Tag. Selbstverständlich ist sie vor dem Chef im Büro.

     

    Und dann wird diese Frau krank – schwerkrank. Sie hat Krebs. Frau Weile ist zerstört, aber sie will leben. Sie kämpft sich durch Operation, Chemo und Bestrahlung. Der Kontakt zur Arbeitsstelle reißt nicht ab in dieser Zeit. Man versichert ihr, dass sie gebraucht wird und sich alle auf ihre Rückkehr freuen. Auch der Chef ruft an und besucht sie.

     

    Frau Weile ist zuversichtlich. Nach mehreren Monaten der Krankheit freut sie sich auf ihre Arbeit. Doch dann, kurz vor Weihnachten – ein Brief. Frau Weile stockt beim Lesen der Atem. Betriebsbedingt wird auf ihre weitere Mitarbeit in der Geschäftsstelle verzichtet. Unfassbar.

     

    Die Geschäftsstelle argumentiert mit gesunkenen Mitgliederzahlen. Diese schwanken jedoch jährlich. Stets nehmen sie zum Jahresende ab und steigen zum Jahresbeginn durch Neueintritte wieder an. Es ist auch kaum vorstellbar, dass plötzlich durch die gesunkene Mitgliederzahl Frau Weiles Arbeit sich praktisch halbiert haben soll. So erklärt es aber der Geschäftsführer.

     

    Zum Jahresende 2009 habe es nur noch 305 Mitglieder im Wirtschaftsrat des Landes Sachsen-Anhalt gegeben hat. Vergleicht man jedoch die Mitgliederzahl, die 1998 zu Annas Einstellung geführt hat, fällt auf, dass der Wirtschaftsrat damals nur die Hälfte der Mitglieder hatte, nämlich 160.

     

    Obwohl es heute also doppelt so viel Mitglieder gibt, hat sich die Arbeit in gut zehn Jahren halbiert? Das kann sich sicherlich kaum einer vorstellen - in Zeiten, in denen die Arbeitsbelastung der meisten immer nur zunimmt.

     

    Aber der Wirtschafsrat der CDU e.V. in Sachsen-Anhalt kann das. Er kann die Arbeit der Assistentin halbieren, sie damit einsparen. Der Rest wird vom Chef selbst erledigt. Das ist sehr aufopferungsvoll vom Chef. Und es zeigt das große „soziale Miteinander“ in diesem der Christlich Demokratischen Union nahe stehendem „Verein“, Saftladen wäre wahrscheinlich passender. Die (a)soziale Marktwirtschaft lässt grüßen.

  • L
    Lucky

    Das ist die Situation welche jeder Arbeiter fürchtet.

    Anstatt die kranken bzw. genesenen Menschen mit großer Unterstützung wieder den Weg in die Arbeit zu ebnen, werden diese einfach entsorgt.

    Was man da Jahrelang an guter Arbeit geleistet hat, ist dann mit einmal nichts mehr Wert.

    Ist es nicht schon ein Schlag ins Gesicht, wenn man sich der Krankheit Krebs stellen muss, diese mit allen Schmerzen, Ängsten und Sorgen dann bewältigen muss! Wenn man dann wieder soweit ist seinen geregelten Arbeitsalltag nachzugehen, kommen dann irgendwelche Besserwisser und MÖCHTEGERN CHEFS, welche einem dann nochmal die "Faust" ins Gesicht schlagen.

    Ich weis nicht wo das Gewissen dieser Damen und Herren ist, denn gerade Arbeitgeber sollten sich Ihrer sozialen Verantwortung bewusst sein.

    Frau Weile hat ja nichts verbrochen, gestohlen oder ähnliches. Frau Weile wurde Krank und ist nun wieder soweit genesen, um Ihre gute Arbeit weiter zu führen welche Sie seit 1998 geleistet hat!

    Denn ohne Fleiß und Loyalität bleibt man einem Unternehmen nicht fast 12 Jahre erhalten , da steht man als Arbeiter hinter dem Unternehmen und dieses sollte der Arbeitgeber jetzt auch bei Frau Weile tun!!

    Ich wünsche Frau Weile alle Kraft und Ausdauer.

  • AS
    Andreas Sobotta

    In den bisherigen Kommentaren wird die CDU angegriffen. Hier wird der oder die Falsche "verprügelt". Der Wirtschaftsrat der CDU e.V. ist ein Unternehmerverband, der nicht über die Statuten der CDU abgesichert ist. Der Wirtschaftsrat darf beispielsweise keine gemeinsamen Veranstaltungen mit der CDU ausrichten, da er sonst den Status eines Unternehmerverbandes verliert. Im Gegensatz zur CDU, die ihre Einnahmen aus Spenden, Beiträgen und sonstigen Einnahmen erzielt, sind die Beiträge beim Wirtschaftsrat als Betriebskosten in Ansatz zu bringen.

     

    Also, auch wenn's jetzt manchem nicht passt. Aber die CDU trifft diesmal gar keien Schuld.

  • S
    Silke

    Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan .Das sieht man es wieder , wie die best bezahlten Herrschaften mit ihrem personal umgehen . Bleiben sie standhaft !!

  • M
    Mac-Lennox

    Warum diese Empörung? Es fehlt doch nur ein Buchstabe, nämlich das beliebte A. "Asoziale Marktwirtschaft"

  • S
    Selber

    Na, da ist die Union immerhin konsequent. So wie sie die Sparmaßnahmen in der Politik vor allem auf den sozial Schwachen auslebt so macht sie es auch im eigenen Hause. Wird nur Zeit, dass auch die Weggesparten anfangen zu sparen: Und zwar bei den Wahlkreuzchen für diese Partei.

  • C
    Carla

    Ehrenamtliche?

     

    Da geht die Reise also hin.

  • B
    Bananentester

    Das "C" in CDU steht nicht für christlich sondern für corruptus...

  • G
    gelatimarone

    na ja die die partei mit dem C hats nötig!!

    ist halt eine verlogene gesellschaft.!!!!!!

  • D
    Dirk

    Muss toll sein, in einem Unternehmen zu arbeiten, in das man sich erst reinklagen musste …