piwik no script img

Schwarzmarktchancen

■ Besuchsverkehr bietet alte und neue Schmuggelwege

Berlin (taz) - Die „Weisungslage“ aus dem Bundesministerium der Finanzen ist klar: Der neue innerdeutsche Besucherverkehr soll möglichst reibungslos abgewickelt werden. Von den westlichen Zollbeamten hat in den letzten Tagen niemand einen professionellen Blick in einen der Zehntausende von Kofferräumen geworfen, die jetzt zusätzlich über die innerdeutsche Grenze rollen. Auch von den DDR -Grepos sind Behinderungen derzeit nicht zu erwarten. Dabei gehört zu den neuen Problemen nicht nur die Schwarzarbeit im Westen, sondern auch die Schwarzvermarktung von DDR-Waren gegen Devisen.

Das Prinzip ist relativ einfach und funktioniert so wie der Westberliner „Polenmarkt“. Produkte, die in der DDR billig und im Westen verkäuflich sind, werden über die Grenze geschafft und hier gegen Devisen verkauft: Schnaps, Werkzeug, Bekleidung oder Haushaltswaren. Der DM-Erlös wird schwarz in (DDR-)Mark getauscht, und damit kann wiederum ein Vielfaches an neuer Ware in Ostberliner oder Magdeburger Kaufhäusern oder gleich in devisenhungrigen kleineren Betrieben eingekauft werden.

Zu einem „Verzollungsvorgang“ käme es nicht einmal bei regulärer Einfuhr, weil die BRD die DDR nicht als Ausland betrachtet. Unterliegt der grenzüberschreitende Warenverkehr bislang einer strengen Kontingentierung, kann allenfalls ein Verstoß gegen die Freigrenzen geahndet werden - außer wenn es sich um verbrauchssteuerpflichtige Ware handelt. Dann müssen auch die Steuerdifferenzen für Zigaretten, Schnaps oder Schaumwein nachentrichtet werden. Gefahr besteht da für die nächste Zeit kaum. Aktuell nicht, weil die Besuchszahlen immer noch außerordentlich hoch sind, und nach Weihnachten geht der Rummel wieder von vorne los, falls das Begrüßungsgeld im neuen Kalenderjahr nicht zusammengestrichen wird.

Ganz Gewiefte dürfen sich an hochriskanten Geschäften versuchen, deren Dimension die eines Kofferraum sprengen: Schmuggel in großem Maßstab. Westdeutsche Lkw-Fahrer, die im Transit nach West-Berlin kamen, berichteten am Montag davon, daß die DDR-Organe die Plomben an den Ladeflächen deutlich laxer kontrollieren als bislang. Kein Wunder, denn Republikflucht per Lkw ist jetzt nicht mehr nötig.

Das Problem, die schwarze Ware unbemerkt zuzuladen, dürfte sich schon bald erledigen. Wenn nämlich der DDR -Besuchsverkehr weiter so anhält, müssen neue Transitstrecken nach West-Berlin eröffnet werden. Die können mangels Autobahnen kaum noch kontrolliert werden. Oder die DDR-Organe überlegen sich eine ganz neue Lösung: die Sperrung der Transitstrecken für DDR-Fahrzeuge.

diba

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen