■ Waigels Geschenk für den Senat: Schwarzer-Peter-Spiel
Insgeheim dürfte der Senat dem Bundesfinanzminister Theo Waigel dankbar sein. Dessen spontane Kürzung der Berlinhilfe um 642 Millionen Mark mobilisiert doch jenen Gestus des Opfertums, der, wenn's drauf ankommt, in der ehemals geteilten Stadt noch immer alle eint. Und er gibt dem Sack einen Namen, den der Bürger prügeln kann, wenn er in der nächsten Zeit von einem der vielen Sparbeschlüsse mal wieder betroffen ist. Mit einer Miene, als ginge es um die Neuauflage des Notopfers Berlin, verkünden Diepgen und Pieroth, sie müßten nun alle Gemeinheiten vorziehen, die sie ihrem Wahlvolk erst für die Haushaltsjahre 1995/96 zugedacht hatten. Ein Schalk, wer Arges bei solch Gerede denkt. Froh sind sie doch, einen Schwarzen Peter in Bonn sitzen zu haben. Bei einer solchen Rollenverteilung läßt sich der Regierende Bürgermeister gar dazu hinreißen, mal richtig Politik gegen die Bundesregierung zu machen. Er droht ihr mit der Streichung der Berlinhilfe für Bundeseinrichtungen in der Stadt. Doch der Landeschef hieße nicht Diepgen, wählte er nicht das aus, was ihm am wenigsten weh tut. Das Haus der Kulturen der Welt oder die Gedenkstätten von der Subventionsliste zu streichen bringt finanziell nichts, schadet der Stadt aber politisch in einer Weise, die Konservative wohl nur schwer verstehen. Ein ganz anderes Pfund ist da schon Staffelts Vorschlag. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist, in Kanzlerkategorien gemessen, mindestens so gewichtig wie das Deutsche Historische Museum. Mit der Einstellung der Finanzierung zu pokern kann allerdings nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn der Senat bereit ist, auch vollen Einsatz zu bringen. Betrachtet man die bisherigen Verhandlungen mit Bonn, so hatten diese wenig von den Qualitäten eines Pokerspiels. Sie erinnerten eher an Mau-Mau. Dieter Rulff
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