Schwarz-gelbe Atom-Verhandlungen: Ohne Plan
Obwohl längere AKW-Laufzeiten klar waren, gestalten sich die Verhandlungen zwischen Union und FDP schwieriger als gedacht. Den Gegnern gibt das neue Hoffnung.
BERLIN taz | Eigentlich hätte alles so einfach sein sollen: Sowohl CDU/CSU als auch die FDP hatten sich in ihren Wahlprogrammen klar für längere AKW-Laufzeiten ausgesprochen. Die Energiekonzerne, die ihre alten Meiler teils mit Stillständen und gedrosselter Leistung über den Wahltermin gerettet hatten, sahen den Koalitionsverhandlungen darum hoffnungsvoll entgegen.
Doch nach gut einer Woche sind Union und FDP beim Atomthema praktisch nicht vorangekommen. Ob die Laufzeitbeschränkungen aufgehoben oder nur verlängert werden sollen, ist ebenso offen wie die Frage, für welche AKWs dies gelten soll und wann die entsprechenden Gesetzesänderungen verabschiedet werden sollen.
Aus der Union gibt es den Wunsch, die Entscheidung möglichst erst nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai zu fällen. Auch Tanja Gönner, die für die Union die Verhandlungen zu Umweltfragen führt und als neue Bundesumweltministerin im Gespräch ist, will derzeit keine Festlegung auf konkrete Zahlen - allerdings nicht etwa wegen Wahlterminen, sondern weil es derzeit noch keinen "Gesamtenergieplan" gebe. Die FDP lehnt es ab, die Laufzeit-Entscheidung aufzuschieben, drängt aber auf strengere Sicherheitskriterien, die zu einem früheren Abschalten alter AKWs führen könnten.
Die zwei für das Thema zuständigen Arbeitsgruppen - Wirtschaft und Umwelt - tagen am Donnerstag erneut. Eine endgültige Einigung zu den umstrittenen Fragen wird aber voraussichtlich erst in der großen Koalitonsrunde fallen, die sich das nächste Mal am Sonntag trifft.
Die Atomkraftgegner, die die Verhandlungen permanent mit Protesten und Aktionen begleiten, werten die Verzögerung als ersten Erfolg. "Der Druck für einen echten Atomausstieg ist so groß, dass sie es nicht wagen, Details festzulegen", sagte Jochen Stay von der Initiative Ausgestrahlt. "Die Verschiebung der Grundsatzentscheidung über die Atomenergie werden wir nutzen, um den Druck auf die künftige Bundesregierung weiter zu steigern." Auch das Netzwerk Campact, das am Mittwoch eine Massen-Anrufaktion bei den Wirtschafts- und Umweltpolitikern von Union und FDP organisiert hatte, gibt sich optimistisch. "Es wird sehr schwer für Schwarz-Gelb, die Risikotechnologie Atomkraft gegen die Mehrheit der Menschen im Lande durchzusetzen", sagte Sprecher Christoph Bautz.
Große Zweifel hegen Kritiker auch an den Ankündigungen von Schwarz-Gelb, den Energiekonzernen einen Teil ihrer durch die längeren AKW-Laufzeiten erzielten Zusatzgewinne abzunehmen. "Es ist zu befürchten, dass die Stromkonzerne keinen Versuch unterlassen werden, sich einen Teil der Gelder, die sie mit der einen Hand in den Fonds einzahlen, mit der anderen Hand wieder in die eigene Tasche zu stecken", sagte Tobias Münchmeyer von Greenpeace. Inzwischen sei die Rede davon, dass ein Teil der Gelder auch in die Erhöhung der AKW-Sicherheit gesteckt werden müsse.
Sollten die Stromkonzerne 50 Prozent ihrer Zusatzgewinne abgeben, würden nach Berechnungen des Öko-Instituts kurzfristig 400 bis 700 Millionen Euro pro Jahr anfallen. Im Vergleich zu der bremsenden Wirkung, die die Laufzeitverlängerung auf den Ausbau der erneuerbaren Energien hätte, wäre der Effekt dieser Summe auf die Erneuerbaren laut Greenpeace "minimal". Alternativ schlägt Greenpeace eine Atomsteuer vor. Laut dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft würde das bis 2013 fast 14 Milliarden Euro einbringen.
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