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Schwarz-gelbe Arbeitsmarkt-PolitikNoch mehr Kurzzeitjobs

Das Arbeitsministerium will die Möglichkeit zur befristeten Beschäftigung noch ausweiten. In großen Konzernen könnten dann Befristungen "unendlich ausgedehnt" werden.

Von einem Tochterunternehmen zum nächsten – das könnte Arbeitnehmern blühen. Bild: dpa

BERLIN taz | Das Bundesarbeitsministerium plant, die Befristung von Arbeitsverträgen weiter zu erleichtern. Das geht aus Berichten von Zeitungen der WAZ-Gruppe hervor, die das Ministerium bis Redaktionsschluss nicht bestätigt hatte.

Laut WAZ will Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Mai dem Bundestag einen Gesetzentwurf vorlegen. Danach soll es künftig häufiger möglich sein, Arbeitsverträge zeitlich zu begrenzen, ohne dafür sachliche Begründungen liefern zu müssen. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Regierung angekündigt, die "sachgrundlose Befristung nach einer Wartezeit von einem Jahr" auch dann zu ermöglichen, "wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat".

Reingard Zimmer von der Hans-Böckler-Stiftung kritisierte, dass so zumindest in Konzernen mit eigenständigen Töchterunternehmen befristete Arbeitsverhältnisse "unendlich ausgedehnt" werden dürften: So könne ein Arbeitnehmer nach zwei Jahren befristeter Beschäftigung im Konzern A für ein Jahr befristet bei Konzern B beschäftigt werden, um danach - gleichfalls befristet - zu Konzern A zurückzukehren. Das Spiel ließe sich ewig fortsetzen.

"Schon heute gibt es viele Möglichkeiten, Arbeitsverhältnisse zu befristen", sagte Zimmer. In der Tat definiert das Teilzeit- und Befristungsgesetz von 2001 acht Gründe, in denen die Befristung eines Arbeitsverhältnisses möglich ist. Ohne solch einen sachlichen Grund ist bei ein und demselben Arbeitgeber eine Befristung nur bis zu einer Dauer von zwei Jahren zulässig.

Kritik an den Plänen kam unter anderem vom stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Hubertus Heil. Es handele sich dabei um "eine zusätzliche Möglichkeit, den Kündigungsschutz zu umgehen". Das Vorhaben betreffe vor allem jüngere Menschen und gehe "auf Kosten von Motivation und Sicherheit für ihre Lebensplanung", sagte Heil.

Am Dienstag hatte das Institut Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit gemeldet, dass bei Neueinstellungen inzwischen fast jeder zweite Job nur noch befristet vergeben werde. Der Wert sei von 32 Prozent im Jahr 2001 auf 47 Prozent im ersten Halbjahr 2009 gestiegen.

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8 Kommentare

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  • C
    claudia

    >>Hohe Abfindungen und harter Kündigungsschutz sind gerade bei Branchenumwälzungen ungerechte Hürden und unlogische Fesseln.>Denn ein anderes Unternehmen, das sich neu aufbaut, hat einen immensen Wettbewerbsvorteil gegenüber einem alteingessenen Unternehmen, dass sich mühsam und mit hohen Kosten oder Rechtsauseinandersetzungen anpassen muss. Es kann gleich seine Arbeitskräfte so auswählen, wie es sinnvoll und notwendig erscheint.

  • H
    HamburgerX

    Hohe Abfindungen und harter Kündigungsschutz sind gerade bei Branchenumwälzungen ungerechte Hürden und unlogische Fesseln.

     

    Denn ein anderes Unternehmen, das sich neu aufbaut, hat einen immensen Wettbewerbsvorteil gegenüber einem alteingessenen Unternehmen, dass sich mühsam und mit hohen Kosten oder Rechtsauseinandersetzungen anpassen muss. Es kann gleich seine Arbeitskräfte so auswählen, wie es sinnvoll und notwendig erscheint.

     

    Letztlich fördern der übertriebene Kündigungsschutz und Abfindungsorgien auch das Insolvenzrisiko, siehe Kardstadt & Co.

     

    Daher: Weg mit bürokratischen und ungerechten Gesetzen, die letztlich der ganzen Volkswirtschaft schaden.

  • C
    claudia

    Auch unbefristete Arbeitsverträge können gekündigt werden. Allerdings müßte eine Kündigung begründet werden. Nach langjähriger Beschäftigung könnte außerdem eine Abfindung fällig sein, die den Profit schmälert. Das gilt heute als für Konzerne unzumutbar.

    Zudem haben Langzeitbeschäftigte oft mehr Einblick in Abläufe, als der Konzernleitung lieb ist. Mit einer sehr kleinen, handverlesenen linientreuen Stammbelegschaft wird erreicht, daß es keine kritischen Betriebsräte mehr gibt.

    Außerdem erhofft man sich, daß mit Befristung als "Normalarbeitsverhältnis" plus Leiharbeit Tarife bald endgültig ausgehebelt sein werden.

     

    Schritt für Schritt bewegen wir uns hin zum Ideal des 19. Jahrhunderts: Eine winzige "Stammbelegschaft", ansonsten Tagelohnarbeit. Jeder muß sich jeden Tag neu anbieten. Dann gibt es natürlich keine Kündigungen mehr.

    So sieht das Paradies der Neuen Sozialen Marktwirtschaft aus.

     

    Es wird dann sehr mühsam sein, mit neuen Gewerkschaften noch mal zu erreichen, was von Ende des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts schon mal erreicht worden war...

     

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    Zum Teil werden die immer mehr ausgeweiteten Befristungen damit begründet, dass aus von Gott gegebenen Gründen am Binnenmarkt nichts mehr läuft und man im Auf und Ab der Exportkonjunktur natürlich unmöglich vorher wissen kann, wie oft und wie lange man Arbeitskräfte gebrauchen kann. Das läßt sich ändern: Mit stabilen Arbeitseinkommen in einer Höhe, die den Binnenmarkt am Laufen halten. Siehe Adam Smith & John Maynard Keynes. (Außerdem ist wieder hochaktuell, was Marx/Engels mal über die ökonomischen Verhältnisse schrieben. Manches ist direkt auf die heutige Situation übertragbar. Nicht alles, was als „politisch unkorrekt” propagiert wird, ist sachlich falsch)

     

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    Als gesetzliche Sofortmaßnahme zur Krisenbewältigung wäre denkbar:

     

    - Alle befristeten Arbeitsverträge müssen einer strikten Begründungspflicht unterworfen werden.

     

    - auch "projektbezogene" Befristung ist strengen Auflagen zu unterwerfen. Aus der Vergangenheit weiß ich, daß man in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit wechselnden Aufgaben betraut werden kann.

     

    - Weiterbeschäftigung nach Ablauf oder Wiederbeschäftigung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes wird per Gesetz als unbefristet definiert.

     

    - "Arbeitnehmerüberlassung" wird verboten. Alle Arbeitsverträge müssen direkt am Arbeitsort abgeschlossen werden. Das betrifft nicht ausschließlich die Zuhälterfirmen. Auch das befristete Einstellen in verschiedenen Konzerntöchtern und "Ausleihen" an immer die gleiche Abteilung muß unterbinden werden.

     

    - Importe aus Ausbeuterländern werden mit einem Zoll belegt, um den Wettlauf in die Armut zu beenden.

  • V
    vic

    Kurzzeitarbeitsverhältnisse machen Sozialleistungen, Krankengeld, Weihnachtsgeld, Betriebsrente und Kündigungsschutz den Garaus. Da freuen sich sicher alle Arbeitgeber. Endlich bekommen sie, was sie von Gelb-Schwarz erwartet haben.

    Diese Regierung ist die Pest.

  • F
    foobar

    Es ist immer wieder schön zu lesen das solch "tolle" Ideen von Leuten kommen die sich wohl keinen Kopf darüber machen müssen ob ihr Arbeitsverhältnis spontan befristet wird...

  • L
    Ludewig

    Wer soll denn diese Partei noch wählen, die CDU baut Ihr eigenes Hartz IV der SPD.

     

    Arbeitnehmer wehrt Euch, lasst diese Partei links liegen, sie schadet Euch nur.

     

    Wie sollen Arbeitnehmer unter diesen Arbeitsbedingungen künftig Ihre Lebens- und Familienplanung gestalten?

    In unserer Familie gibt es schon genug Mitglieder, die befristet Arbeiten müssen. Wenn diese ein Darlehn bei einer Bank aufnehmen wollen, lehnen diese wegen des befristeten Arbeitsverhältnisses ab.

     

    Die Kaufkraft geht weiter verloren, der Konsum wird weiter eingeschränkt, es werden weitere Arbeitsplätze verloren gehen. So geht es nicht. Ich hoffe, dass die CDU bei der Landtagswahl NRW im Mai 2010 die Wahlen deutlich verlieren.

     

    Andere Parteien solten unter anderem mit diesem Thema den Wahlkampf gestalten.

  • L
    likewise

    Ich bin enttäuscht! Ich hatte der von der Leyen mehr zugetraut. Angesichts des tollen Erfolgs zu Familienministeriums-Zeiten habe ich mindestens damit gerechnet, daß sie freudestrahlend einen erheblichen Rückgang der Arbeitslosenzahlen ankündig -- ehe sie offizielle Zahlen zur Untermauerung hat und entsprechend später, wenn das Blitzlichtgewittert vorüber ist, eingestehen muß, daß diese Zahlen leider, leider nicht gesunken, sondern eher gestiegen sind, um ein paar Hunderttausend... -- Und dann fällt ihr kein besseres Schmankerl ein, als die allbekannte Fünfminuten-Terrine auf Arbeitsverträge zu übertragen.

    Ich fordere, wenn von dieser Regierung keine Originaliät, Vernunft schon gar nicht zu erwarten ist, soll sie wenigstens einen gewissen Unterhaltungswert nicht unterschreiten! Von der Leyen soll sich gefälligst etwas mehr anstrengen. Anstrengungslosigkeit führt bekanntlich zu Dekadenz. Und wenigstens die Regierung sollte doch ein Bollwerk geegn Dekadenz sein, mit Westerwelle als Träger der Fackel der Erleuchtung. Das wird zwar niemand ernst nehmen, aber es ist ein Brüller!

  • GS
    Gudrun Sievers

    Es wird hier leider nicht davon gesprochen, dass es auch so immer weniger möglich sein wird Gehaltserhöhungen zu bekommen, die häufig nach einer Einarbeitunszeit auf Nachfragen zugestanden wurden und im Laufe der Beschäftigungszeiten in mehr oder weniger regelmäßigen Zeitabständen dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gaben ein wenig für das Alter vorzusorgen oder Kosten wie z.B. Zahnbehandlungen oder Brillenanschaffungen davon zu tragen. Die Möglichkeiten sind damit ausgehebelt, die Kaufkraft sinkt und die Menschen werden schlechtere Zähne wie Augen bekommen, da mit dem Alter diese erforderlichen Dinge nötig, aber sehr teuer sind. Weiterhin werden die Renten sowie die Zahlungen in die Kranken- und Pflegesysteme sinken, da kaum noch Vollzahler in die Systeme einspeisen, sondern nur "Kleckerbeträge" aus Mini- oder befristeten Arbeitsverhältnissen. Was da als Sozialwelle im Alter auf alle zurollt, ist gigantisch. Die Menschen können aber aufgrund gesunkener Reallöhne auch nicht immer weiter mehr privat belastet werden, dann bleibt nichts mehr zum Leben, da auch die Ausgaben für Energie, Wohnen und Lebensmittel steigen! Wie stellen sich die Politiker das noch vor? Ich denke, dass sie selbst keine Antworten mehr haben. Mein Vorschlag: Alle Menschen, auch die Selbstständigen, Freiberufler und Beamten müssen endlich in die Kassen einzahlen! Wie soll das noch vermittelbar sein: sie verdienen gut und lassen sich noch von den armen Menschen die Rente und ein gutes System an Zuschüssen zu Brillen, Zähnen uvm. bezahlen. Man nennt das Beihilfen! Schluss mit dem Selbstversorger Beamter und Politiker! Die Richtlinien müssen vom Steuerzahlerbund erstellt und verabschiedet werden, denn wer beißt sich schon selbst ins eigene Fleisch? Endlich sollte zudem ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden, da alle Transferleistungen zusammengenommen ein solches schon gut finanzieren. Das Ende der Arbeit ist da, das muss auch langsam in den oberen Etagen angekommen sein. Eine Steuer auf Energie als Produktionsfaktor oder eine Rationalisierungssteuer durch Betriebsprozessveränderungen oder auf Betriebsverlagerungen in Billiglohnländer sollte den Rest geben. Wir sparen dann sicher noch viele Kost6en ein und die Menge der Beamten kann auch verringert werden, was die öffentlichen Haushalte etwas schont.