piwik no script img

Schwarz-GrünSchwarz-Grün ist ausgereizt

Schwarz-Grün ist in Berlin politisch ausgereizt, bevor es rechnerisch überhaupt möglich wurde

Kaum ist das politische Berlin zurück am Spieltisch, werden die Karten neu gemischt. Am Donnerstagvormittag gab Volker Ratzmann überraschend bekannt, dass er - als werdender Vater - seine Kandidatur um den Bundesvorsitz der Grünen zurückzieht. Er ist und bleibt einer von zwei Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Eine Stunde später kündigte CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger an, ebenfalls für den Landesvorsitz seiner Partei kandidieren zu wollen. Damit sei er, so seine unverblümt formulierte Begründung, einem Putsch zuvorgekommen.

Zwei Nachrichten, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Oder doch?

Beide, Ratzmann wie auch Pflüger, sind die Vorzeigefiguren ihrer Parteien für ein mögliches schwarz-grünes Bündnis auf Landesebene, und beide haben sich damit nicht nur Freunde gemacht.

Ratzmann, bis Donnerstag auf Bundesebene als frisches Gesicht mit Freude aufgenommen, ist in Berlin alles andere als auf Erfolgskurs. Eine mögliche Koalition mit der SPD hatten sich die Grünen nach der Wahl 2006 durch allzu forschen Auftritt selbst vermasselt. Für den plötzlichen Schwenk zu Schwarz-Grün bekam Ratzmann bei den letzten Vorstandswahlen die Quittung - er bekam nur 13 von 23 Stimmen.

Noch schlimmer trifft es Pflüger. Der hat nicht nur mit reichlich Gegenwind aus Partei und Fraktion zu kämpfen, sondern auch mit notorisch miesen Umfragewerten. Kein Wunder, dass auch in der CDU die Gegner von Schwarz-Grün mobilmachen. Wenn schon 20-Prozent-Partei, dann wenigstens hübsch konservativ und provinziell.

Anders als in Hamburg ist Schwarz-Grün in Berlin damit politisch ausgereizt, bevor es rechnerisch überhaupt möglich wurde. Dies umso mehr, als sich in der zweiten Reihe hinter Pflüger und Ratzmann kaum einer für das ungeliebte Blatt erwärmen will. Nicht nur bei der CDU, auch bei den Grünen sind die Skeptiker in der Mehrheit.

Daran wird sich auch nichts ändern, wenn Volker Ratzmann den Berliner Grünen erhalten bleibt. Vielmehr spricht vieles dafür, dass er nach seiner Babypause wieder den Sprung in die Bundespolitik suchen wird. Die Bündnisse in Berlin müssen andere schmieden.

Das mit Abstand miserabelste Blatt aber hat Friedbert Pflüger. Gut möglich, dass der schwarze Bube mit dem grünen Anstrich noch vor der Wahl zum Parteivorsitz blankzieht. Seine Flucht nach vorn haben am Donnerstag alle mit Kopfschütteln quittiert - Feind wie Freund. Der Versuch, den kleinbürgerlichen Laubenpieperhaufen bei Liberalen salonfähig zu machen, ist gescheitert. Und damit auch eine schwarz-grüne Koalition aus Operngängern und Privatisierungsfreunden.

Rot-Rot kann sich also freuen. Und selbst wenn es für ein solches Bündnis 2011 nicht mehr reichen sollte, stünden die Grünen bereit. Anders als Friedbert Pflüger setzt Volker Ratzmann nämlich nie alles auf eine Karte.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • DF
    Detlef Foljanty

    Man muss in Berlin schon verdammt gut aufpassen, um mitzukriegen, wer mit wem und überhaupt. Der Versuch, den kleinbürgerlichen Laubenpieperhaufen bei Liberalen salonfähig zu machen, sei gescheitert, schreibt Uwe Rada. Dabei hat man doch vor kurzem erst in der taz lesen können – und das an gleich mehreren Stellen - , dass die jungen Kreativen dabei sind, die Schrebergärten zu erobern. Mutieren also Kreative in Lauben zu Kleinbürgern?

    Doch es kommt noch dicker: Gescheitert sei damit auch eine schwarz-grüne Koalition aus Operngängern und Privatisierungsfreunden, heißt es resümierend. Mein Weltbild sagt mir, dass Privatisierungsfreunde die Schwarzen sein müssen. Aber wer sind dann die Grünen? Die Operngänger? Oder ist das Kompositumsglied „–freunde“ hier an die falsche Stelle gerückt? Sollte es vielleicht „Freunde der Oper“, gar „der italienischen Oper“ heißen?

    Taz hilf! Schick mir ein Zeichen in diesen Zeiten der Orientierungslosigkeit! Oder sorg dafür, dass Menschen nicht wegen ihrer kulturellen Orientierung diskriminiert werden.