Schwarz-Grün: CDU lockt Grüne mit Integrationsbehörde
Die Hamburger Union diskutiert über ihren künftigen Kurs. Partei-Vizechef Weinberg schlägt eine Integrationspolitik aus einem Guss vor, Schulpolitiker Heinemann fordert Bildungspolitik ohne Koalitionspartner.
Er könne sich eine Behörde für Integration gut vorstellen, sagt Marcus Weinberg. Für eine Metropole wie Hamburg könnte das ein sinnvoller Ansatz sein, findet der stellvertretende Vorsitzende der Hamburger CDU. Diese Idee werde nach der Sommerpause in einer Programmkommission diskutiert werden, die er zusammen mit dem zweiten Parteivize Rüdiger Kruse leitet. Bis zum Jahresende soll diese Kommission "programmatische Leitlinien" für den Kurs der Hamburger Union in den kommenden Jahren entwickeln.
In einer Stadt, in der jeder vierte Einwohner Ausländer ist oder einen Migrationshintergrund hat - unter den Grundschülern ist es inzwischen etwa die Hälfte - müsse man Integration als "horizontale Querschnittsaufgabe" betrachten, sagt Weinberg. "Man kann das nicht immer nur in Einzelthemen aufteilen", findet er, die dann in den Fachressorts wie Schule, Familie und Soziales, Arbeit, Justiz sowie in den Fachämtern der Bezirke unkoordiniert behandelt würden. Da könne eine "Integrationspolitik aus einem Guss" hilfreich sein.
Dass die CDU mit so einer Idee beim grünen Koalitionspartner offene Türen einrennen könnte, sieht Weinberg nicht ungern. Sie ginge weit über die Passage im bestehenden schwarz-grünen Koalitionsvertrag hinaus, dass "Integration Querschnittsaufgabe für alle Ressorts" sei. "Das ist aber noch lange kein abgestimmter Vorschlag", stellt Weinberg klar, sondern ein "Gedankenmodell" als Teil der künftigen Programmatik der Hamburger Union. Sollte dieses in der Kommission und anschließend in der Partei akzeptiert werden, sei eine Umsetzung nach der Bürgerschaftswahl 2012 "denkbar".
Eine repräsentative Umfrage des Psephos-Instituts am 19. und 20. Juli unter 1.005 wahlberechtigten Hamburgern für das Abendblatt ergab folgende Ergebnisse:
Neuwahlen: 56 Prozent sind dafür, 32 Prozent wollen, dass Schwarz-Grün weiter macht
Ole von Beust: Seinen Rücktritt bedauern 55 Prozent, 25 Prozent finden das gut.
Sonntagsfrage: Die SPD würden 41 Prozent wählen, die CDU 35. Die GAL bekäme zehn Prozent, die Linke sechs, die FDP bliebe mit vier Prozent außerparlamentarisch.
Koalitionen: Rot-Grün hätte mit 51 Prozent eine klare absolute Mehrheit, Rot-Rot wäre mit 47 Prozent ebenfalls rechnerisch mehrheitsfähig, Schwarz-Grün mit 45 allerdings nicht.
Denn außer Frage steht für den 43-jährigen Bundestagsabgeordneten aus Altona, dass der Weg der Hamburger CDU trotz des verlorenen Volksentscheids zur Primarschulreform und auch unter einem Bürgermeister Christoph Ahlhaus der einer liberalen Großstadtpartei sein muss. "Wenn wir uns nach rechts orientieren, brechen wir in der Mitte ein", glaubt Weinberg. Es müsse jetzt "einen Versöhnungsprozess mit unseren Wählern" geben mit dem Ziel, die Perspektive für die Bürgerschaftswahl 2012 "gemeinsam zu definieren". Damit meint er: "Es gibt für die CDU keine reale Alternative zu Schwarz-Grün, weder inhaltlich noch als Machtoption."
Einen programmatischen Neuanfang hingegen fordert der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Robert Heinemann. "Wir haben uns weit von unseren Wählern entfernt und dafür am Sonntag die Quittung bekommen", sagt der 36-Jährige. Deshalb müsse die CDU "Bildungspolitik wieder zu einem Markenzeichen unserer Partei machen, das unabhängig vom jeweiligen Koalitionspartner ist". Dazu gehöre eine Schwerpunktsetzung auf "Leistung, möglichst frühzeitige Förderung Benachteiligter und auch auf Behutsamkeit, Kontinuität und Pragmatismus".
Das sei keineswegs als Absage an Schwarz-Grün zu verstehen, versichert Heinemann. Vor zwei Jahren war er von seinem Amt als schulpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft zurückgetreten. Der Grund waren die Vereinbarungen zur Einführung der Primarschule, wie sie im schwarz-grünen Koalitionsvertrag vom April 2008 festgeschrieben worden waren. Er sei nicht grundsätzlich gegen längeres gemeinsames Lernen, sagt Heinemann nun, "ich halte nur die Primarschule für falsch".
Andere Stimmen fordern, dass die Hamburger Union sich gerade unter einem konservativen Regierungschef wie Ahlhaus wieder verstärkt "den bürgerlichen Schichten öffnen" müsse. Dieses Spektrum reiche von Schrebergärtnern bis zu Porsche-Fahrern, gemeinsames Merkmal sei jedoch "ein gewisser Strukturkonservatismus".
Viele Wähler und Sympathisanten der CDU hätten beim Volksentscheid gegen die Primarschule gestimmt, weil es keinen Beweise für deren Sinnhaftigkeit gäbe. "Das ist", sagt ein CDU-Abgeordneter, der lieber ungenannt bleiben möchte, "so das Motto: Bloß keine Experimente".
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