Schwarz-Gelb nach der Wahl: Nur angeschlagen, nicht zerstört

In der CDU- und FDP-Zentrale in Berlin reagiert das politische Personal auf die Wahlniederlage mit Schweigen. Die offizielle Parole lautet trotzdem: Weiter so!

Wollen nicht die Nummer "SchröderFischer" machen: FDP-Parteichef Guido Westerwelle und CDU-Vorsitzende Angela Merkel. Bild: dapd

Bis zum 27. März 2011 verlief die Kanzlerschaft von Angela Merkel unfallfrei, dann kam die Niederlage in Baden-Württemberg. Denn dies ist eine historische Niederlage für die CDU. 1953, als die CDU in Stuttgart zu regieren begann, war Angela Merkel noch nicht geboren.

Achtundreißig Komma fünf. Als die Zahl um 18 Uhr über die Bildschirme flimmerte, erstarrte das Konrad-Adenauer-Haus in Schweigen. Die CDUler in der Parteizentrale hatten mit dem Schlimmsten gerechnet. Jetzt Gewissheit zu haben, ließ nicht einmal mehr ein Raunen aufkommen. Was folgt, war einfach Schweigen. Nur Generalsekretär Hermann Gröhe musste etwas sagen. "Für eine Fortsetzung der christlich-liberalen Koalition in Baden-Württemberg gibt es keine Mehrheit", sagte Gröhe. Die Erste, die in Stuttgart um kurz nach 18 Uhr das Unglaubliche aussprach, war die Stuttgarter Umweltministerin Tanja Gönner (CDU): "Die CDU muss sich auf die Opposition einstellen."

Die entscheidende Frage lautet: Wer hat Schuld daran? Wie viel bleibt von dieser Niederlage an Merkel und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hängen, die ihre Klientel in der Libyen-Frage und beim Atomausstieg irritierten? Als Jürgen Rüttgers in NRW 2010 und die CDU in Hamburg im Februar verloren, waren die Gründe klar: Landespolitik - nicht Merkels Geschäft. In Stuttgart ist das Bild anders. Libyen und Fukushima habe die Wahl bestimmt. Und die Libyen-Enthaltung und das Atommoratorium haben die konservativ-liberalen Wähler nicht überzeugt. Und trotzdem scheint Merkel mit heiler Haut davonzukommen - und Stefan Mappus als Autor der Niederlage dingfest gemacht.

Das hat zwei Gründe: Merkel hat machtpolitisch langfristig für diese CDU-Niederlage vorgesorgt. Im September 2010 verkündete sie im Bundestag den "Herbst der Entscheidungen". Für längere AKW-Laufzeiten, für Stuttgart 21, scharfes Contra gegen die Grünen, die als technikfeindliche Dagegen-Partei attackiert wurde - das war nun Merkels Linie. Schon im Oktober 2010 achtete die Kanzlerin tunlichst darauf, dass es politisch keine noch so kleine Lücke zwischen ihr, der eher Liberalen, und Mappus, dem Konservativen, geben durfte. Auch bei der Atomwende bezog sie Mappus von Beginn an ein. Damit hat sie jeder Dolchstoßlegende die Grundlage entzogen. Die Wahl hat nicht Merkel verloren, sondern Mappus.

Zweitens: der Zustand der CDU. Verschärfte Kritik an Merkels halber Atomwende und der deutschen Enthaltung im UN-Sicherheitsrat könnte vom rechten, traditionskonservativen Flügel kommen. Der aber ist nach Mappus' Fiasko ziemlich gestutzt. Der 44-jährige Mappus war eigentlich als Frontmann des personell ziemlich ausgedünnten rechten Flügels vorgesehen. Doch Mappus' politische Karriere ist nun fraglich.

Die innerparteiliche Kritik an Merkel wird anschwellen. Aber die Anti-Merkel-Front in der Union hat kein Gesicht. Alle möglichen Konkurrenten sind, aus verschiedenen Gründen, entsorgt. Von Friedrich Merz bis Christian Wulff, von Roland Koch bis Karl-Theodor zu Guttenberg - alle, die mal als ernsthafte Bedrohung von Merkel gehandelt wurden, haben keinen Einfluss mehr. Ein Putsch ist nicht in Sicht mangels Putschisten, auch mangels klarer politischer Botschaft.

Bislang wurde die sanfte Modernisierung, die Merkel der CDU verordnete, störungsarm durchgewunken. Das ist vorbei. Die Zeit, als Angela Merkel in der CDU durchregieren konnte, dauerte bis zum 27 März 2011.

"Vorne bleiben - Erfolgsmodell Baden-Württemberg" steht auf einem Wahlplakat, das im Foyer der FDP-Parteizentrale in Berlin hängt. Doch die Liberalen sind erst mal abgehängt. Kurz nach 18 Uhr stehen rund 200 Liberale im Thomas-Dehler-Haus schweigend vor den Bildschirmen. In Rheinland-Pfalz nicht mehr im Landtag, in Stuttgart nicht mehr in der Regierung.

Wie nervös Guido Westerwelle ist, zeigt eine dpa-Meldung, die noch vor Schließung der Wahllokale verkündete, dass der FDP-Chef keinesfalls zurücktreten wird. "Sehr ungeschickt" findet dies ein Liberaler. Ein anderer kommentiert: "Hier ist es wie auf einer Beerdigung." Westerwelle tritt sehr spät, erst nach gut einer Stunde, vor die Presse. Man habe die Wahl verloren, jetzt werde man beraten, so Westerwelle. Was man so sagt.

Bei der FDP ist keiner in Sicht, der einen Putsch gegen Westerwelle anführen will, auch wenn der Frust groß ist. Als Blitzableiter bieten sich zwei andere Figuren an: In Rheinland-Pfalz steht Wirtschaftsminister und FDP-Landeschef Rainer Brüderle unter Druck. Sein Auftritt vor dem BDI, bei dem er das Atommoratorium als Wahlkampfmanöver kleinredete, war ein Desaster, die Leugnung im Bundestag auch. Die Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger gilt vielen sowieso als überfordert.

Und Schwarz-Gelb? Die Devise lautet: weitermachen. Niemand denkt bis jetzt an Neuwahlen, heißt es. Aber was kann Schwarz-Gelb bis 2013 politisch tun? Vom Herbst der Entscheidungen ist nichts geblieben. Was kommt nun, nach dem Frühling des Rückzugs? Für Angela Merkel, die lange Unangefochtene, wohl eine Phase des langsamen Machtverfalls. Guido Westerwelle wird die Debatte um den Rücktritt nach dieser Wahl nicht mehr los. Da helfen auch keine Vorab-Dementis über dpa.

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