Schwacher Inlandskonsum: Wirtschaft stagniert überraschend
Trotz guter Exporte schwächelt die deutsche Wirtschaft etwas: Weil der Binnenkonsum im vierten Quartal schwach war, stagniert die Erholung von der Finanzkrise.
WIESBADEN dpa/taz | Überraschung für viele Analysten: Die Erholung der deutschen Wirtschaft gerät ins Stocken. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Summe aller poduzierten Dienstleistungen und Produkte in Deutschland, stagnierte im vierten Quartal 2009 auf dem Niveau des Vorquartals, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mit.
Damit hatten viele Beobachter nicht gerechnet. Die BBC machte es am Freitag zum Aufmacher unter dem Titel "German economic recovery falters" – mit besorgten Hinweis darauf, das die deutsche ja die größte Ökonomie der EU ist. In Frankreich, der zweitgrößten Ökonomie der EU, dagegen wuchs die Wirtschaft im vergangenen Quartal um 0,6 Prozent.
Immerhin: Aus Sicht von Konjunkturexperten wird sich das zum Jahresbeginn nicht wiederholen, stattdessen werde die Wirtschaftsleistung wieder zulegen. "Die Lage der deutschen Wirtschaft ist viel besser als sie aus der statistischen Perspektive erscheint", sagte UniCredit-Volkswirt Andreas Rees.
Für das Gesamtjahr bestätigten die Statistiker einen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 5,0 Prozent. Damit war Deutschland im vergangenen Jahr in die tiefste Rezession seit Bestehen der Bundesrepublik gestürzt.
Für 2010 erwarten die Konjunkturexperten trotz des schwachen Jahresausklangs weiter ein Wachstum von um die zwei Prozent. Die deutsche Konjunktur werde wieder etwas an Fahrt gewinnen und die Folgen der Krise zunehmend hinter sich lassen. Zur Jahresmitte hin werde sich das Wachstum aber wieder abkühlen – auch wegen der Spätfolgen der Schuldenkrise in den Peripherieländern des Euroraums, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer mit Blick auf Griechenland und andere Euro-Länder mit ausufernden Haushaltsdefiziten.
Die meisten Volkswirte hatten auch zum Jahresende mit einem leichten BIP-Wachstum um bis zu 0,3 Prozent gerechnet, weil die Industrieproduktion gegenüber dem Vorquartal um 1,0 Prozent zulegte und die Exporte anzogen. Nach Angaben der Statistiker kamen positive Impulse zum Jahresende aber lediglich vom Export. Hingegen gingen Konsumausgaben und Investitionen zurück und bremsten so das Wirtschaftswachstum.
Laut Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer spiegeln die Zahlen teilweise aber auch nur einen Kalendereffekt wider. Weil der 1. Januar in dieser Jahr auf einen Freitag fiel, hätten die Betriebe ihre üblichen Werksferien zwischen Weihnachten und Neujahr komplett im alten Jahr genommen. "Das hat die Industrieproduktion gedrückt." Der Trend bei den Auftragseingängen zeige aber weiter nach oben, und das aussagefähige ifo-Geschäftsklima sei bis zuletzt gestiegen.
Nach den neu berechneten Zahlen des Bundesamtes war das BIP Anfang 2009 gegenüber dem Vorquartal real um 3,5 Prozent geschrumpft. Bereits im Sommer hatte sich dann das Ende der Rezession angekündigt: Die Wirtschaftsleistung wuchs im zweiten Quartal um 0,4 Prozent. Im dritten Quartal sorgten kräftige Investitionen dank staatlicher Konjunkturprogramme und der wieder anziehende Export für ein Plus von 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorquartal.
Auf Jahressicht schrumpfte die deutsche Wirtschaft zum Jahresende weiter, der Abwärtstrend verlangsamte sich aber spürbar. Preisbereinigt lag das Minus gegenüber dem Vorjahreszeitraum bei 1,7 Prozent, nach minus 4,7 Prozent im dritten und minus 7,0 Prozent im zweiten Quartal.
Für das erste Quartal 2010 rechnet die Commerzbank weiter mit einem "ordentlichen" Plus von 0,5 Prozent. "Ohne den harten Winter würden wir sogar 0,3 Prozentpunkte mehr sehen." Dieser Wachstumsverlust kann aus Sicht der UniCredit aber in den folgenden Wochen "leicht wieder kompensiert werden".
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