: Schutzzone der Alliierten
■ Im Nordirak werden Versorgungslager für die Flüchtlinge eingerichtet/ Initiative zwischen Verbündeten abgestimmt/ Irak spricht von Einmischung
Bagdad/Washington (dpa/afp) — Die Regierung in Bagdad hat die von US-Präsident George Bush angekündigte Errichtung von Flüchtlingslagern im Norden des Irak als weitere Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes verurteilt.
Bagdad habe am Mittwoch mit dem Sonderbeauftragten von UNO- Generalsekretär Javier Perez de Cuellar für das humanitäre Programm in der Golfregion, Prinz Sadruddin Aga Khan, eine grundsätzliche Vereinbarung zur Regelung dieser Angelegenheit erzielt, gab der irakische Außenminister Ahmad Hussein Chudajjir in einer Erklärung bekannt, die am Mittwoch von der amtlichen irakischen Nachrichtenagentur 'INA‘ verbreitet wurde. Deshalb sei das von Bush angekündigte Vorhaben „unnötig“ und behindere eine Lösung des Problems. Die mit Aga Khan getroffene Vereinbarung sollte noch am Mittwoch veröffentlicht werden.
Bush hate zuvor den Einmarsch von alliierten Soldaten in den Nordirak angekündigt, um dort Versorgungslager für die Hunderttausende kurdischer Flüchtlinge einzurichten. Auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus erklärte Bush am Dienstag nach Absprache mit den westlichen Verbündeten, in niedriger gelegenen Gegenden im Nordirak sollten sofort „fünf oder sechs“ Lager geschaffen werden, wo die Flüchtlinge unter dem Schutz der „Luft- und Bodentruppen“ der Amerikaner, Briten und Franzosen versorgt werden sollen. Das Ausmaß der Not im Grenzgebiet rechtfertige eine solche „temporäre“ Maßnahme.
Der amerikanische Präsident betonte, es gehe nicht darum, eine Besatzungszone im Irak zu schaffen. Für die Vereinigten Staaten stehe es weiter außer Frage, in den irakischen Bürgerkrieg einzugreifen. Als Weg zur Lösung des kurdischen Flüchtlingsproblems nannte Bush erneut den Rücktritt von Saddam Hussein und eine nationale Versöhnung. Um den Rücktritt des irakischen Präsidenten zu erreichen, deutete Bush auch die Bereitschaft an, die Flucht Saddams in ein anderes Land hinzunehmen.
„Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um unschuldiges Leben zu retten“, erklärte Bush, der in den USA heftig angegriffen worden war, weil er die kurdischen Rebellen nicht unterstützt und den Flüchtlingen nicht ausreichend geholfen habe. Er verteidigte sich gegen den Vorwurf, zu spät Hilfsmaßnahmen für die Flüchtlinge eingeleitet zu haben. Dies sei ein logistisches Problem, dessen Ausmaß niemand habe vorhersehen können, sagte er. Nun müßten die Kurden ermutigt werden, die Berge zu verlassen und sich in Gebiete zu begeben, wo ihre Versorgung mit lebenswichtigen Gütern einfacher sei. Die neuen Lager sollten in niedriger gelegenen Zonen eingerichtet werden, wo Hilfskonvois leichter hingelangen könnten als in das unzugängliche, gebirgige Grenzgebiet zwischen dem Irak und der Türkei.
Die geplante Militäroperation der Alliierten habe rein humanitären Charakter, hob der amerikanische Präsident hervor. Sie habe nicht das Ziel, eine Besatzungszone im Irak einzurichten. Die Gebiete, in denen die Kurden unter dem Schutz der alliierten Truppen versorgt werden sollen, sollen nach Angaben Bushs so rasch wie möglich der Kontrolle der Vereinten Nationen unterstellt werden.
Bush richtete eine indirekte Warnung an Bagdad, sich der geplanten Einrichtung der Flüchtlingslager nicht zu widersetzen. Er erklärte, das Flugverbot für die irakische Luftwaffe nördlich des 36. Breitengrades gelte weiterhin. Die alliierte Luftwaffe werde die Lager schützen. Der persönlicher Gesandte des UN-Generalsekretärs hatte am Dienstag abend in Bagdad erklärt, die irakische Führung habe der Einrichtung von UN-Aufnahmelagern für kurdische Flüchtlinge im Nordirak zugestimmt.
„Eine geringe Zahl“ Bodensoldaten soll nach den Worten Bushs im Nordirak eingesetzt werden. Die USA verfügen derzeit über etwa 8.000 Soldaten in der Türkei, davon 3.000 Marines an Bord von Kriegsschiffen im Hafen von Iskanderen. Der amerikanische Präsident rief die übrigen Länder der antiirakischen Koalition auf, sich an der neuen Initiative zu beteiligen.
Die Bemühungen, die derzeit für die kurdischen Flüchtlinge unternommen werden, sind nach Ansicht Bushs „die größte Hilfsanstrengung in der Moderne“. „Die Dimensionen des Problems aber sind noch größer“, fügte er hinzu. Die neue Hilfsinitiative der Alliierten könne nur eine vorübergehende Maßnahme sein und habe nicht die dauerhafte Lösung des Kurdenproblems zum Ziel. Bush lehnte die Idee eines unabhängigen kurdischen Staates erneut ab. Bush hatte seine neue Initiative am Dienstag telefonisch mit dem französischen Staatspräsidenten Fran¿ois Mitterrand, dem britischen Premierminister John Major, dem türkischen Präsidenten Turgut Özal sowie Bundeskanzler Helmut Kohl und UN-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar abgestimmt, teilte der Sprecher des Weißen Hauses, Marlin Fitzwater, mit.
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