: Schummeln theoretisch nicht möglich
betr.: „Wider die Zinsschummelei“, taz vom 29. 10. 99
Der Artikel enthält wesentliche inhaltliche Fehler.
Die Zinsabschlagsteuer beträgt 30 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und nicht 25 Prozent wie im Artikel genannt. Ein ähnlicher Steuersatz für Aktiendividenden existiert nicht – die angegebenen 33 Prozent sind aus der Luft gegriffen. Dividenden unterliegen grundsätzlich der Kapitalertragssteuer von 30 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag (bei Privatpersonen mit FSA Anrechnung des Körperschaftssteuerguthabens).
Geradezu lächerlich ist die Aussage, dass sich die Zinsabschlagssteuer umgehen ließe, indem man Konten bei mehreren Banken unterhält und dort jeweils einen Freibetrag erteilt. Das Gesetz regelte bis vor kurzem noch, dass die Banken ihnen erteilte Freistellungsaufträge den Finanzämtern mitzuteilen haben. Diese führten die Daten zusammen und konnten so erkennen, ob eine Einzelperson / Ehepaar mehr Freibetrag erteilt hat als zulässig. In der Praxis erwies sich das als erheblicher bürokratischer Aufwand, weil gerade Kleinsparer aus Unwissen oft für jedes ihrer Konten den vollen Freibetrag erteilten. Da die Finanzämter nur die Höhe der Freistellungsaufträge, nicht jedoch die Höhe der tatsächlichen Kapitaleinkünfte kannten, wurden zahllose Untersuchungsverfahren gegen solche Kleinsparer eingeleitet, die in der Summe Kapitaleinkünfte unterhalb der Freibeträge vereinnahmten. Der Gesetzgeber hat darum in diesem Jahr eine Änderung verfügt, nach der von den Banken die steuerfrei vereinnahmten (also freigestellten) Kapitaleinkünfte zu melden sind. Somit kann von den Finanzämtern zielgerichtet kontrolliert werden, wo Einkünfte über den Freigrenzen steuerfrei eingenommen wurden und entsprechend dagegen vorgehen. Die nachfolgende Behauptung, Banken seien nicht verpflichtet, jede Freistellung bei den Finanzämtern zu melden, ist in dem Zusammenhang, wie im Artikel geschehen, irreführend. Banken melden eben heute nur noch die tatsächlich steuerfrei gutgeschriebenen Kapitaleinkünfte an die Finanzämter. Schummeln ist dadurch theoretisch nicht möglich. Ob die Finanzämter derzeit technisch und personell in der Lage sind, die Informationen von den Banken zu verarbeiten und „Schummler“ zu erkennen, steht freilich auf einem ganz anderem Blatt.
Der Vorschlag von Peter Struck, künftig grundsätzlich Kontrollmitteilungen der Banken an die Finanzämter zu erstellen, zielt dabei in eine ganz andere Richtung: Steuerzahler mit hohem Einkommen unterliegen in der Spitze einem Steuersatz von 53 Prozent (zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer). Der von den Banken einzubehaltende Zinsabschlag liegt dagegen nur bei 30 Prozent zuzüglich SoliZ. Da die Banken derzeit keine Mitteilung über Kapitaleinkünfte an die Finanzämter erstatten, die mit Zinsabschlagsteuer belastet wurden, können hier insbesondere vermögende Anleger ihre Steuerlast deutlich verkürzen. Da die Kontrollmitteilungen grundsätzlich alle Kapitaleinkünfte betreffen würden, wäre diese „Schummelei“ künftig unterbunden. [...] Ingolf G. Werner, Weimar
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