Schulreform: Vorentscheidung in Klasse neun

Ein Lerntag soll die Berufsvorbereitung an den Stadtteilschulen verbessern. Die Opposition fürchtet, dass Schüler mit der Perspektive Abitur an Gymnasien wechseln.

Sollen künftig besser fürs Berufsleben gerüstet sein: die Hamburger Stadtteilschüler. Bild: dpa

Der Senat hat beschlossen, die Berufsvorbereitung in den 59 Hamburger Stadtteilschulen grundlegend zu reformieren. Die wichtigste Änderung: In der zehnten Klasse wird es ab Sommer 2014 einen wöchentlichen Lerntag geben, der ganz der Vorbereitung auf die Berufsausbildung oder aber der gymnasialen Oberstufe dienen soll. Schon Ende der neunten Klasse müssen die Schüler deshalb entscheiden, ob sie das Abitur oder eine Ausbildung anstreben.

Schulsenator Ties Rabe (SPD) begründet die Reform damit, dass viele Schulabgänger nach der zehnten Klasse bislang „ohne Ausbildungsplatz dastehen und keine klare Anschlussperspektive entwickelt haben“. Nur ein Viertel der Schulabgänger würde direkt in eine berufliche Ausbildung wechseln und auch ein halbes Jahr nach Ende ihrer Schullaufbahn hätten noch zwei Drittel von ihnen keine Anschlussperspektive.

Um diese Situation zu verändern, sollen in Zukunft mehr Berufsschullehrer an den Stadtteilschulen arbeiten. Weitere Neuerungen: In Klasse acht wird zukünftig das Fach „Arbeit und Beruf“ zweistündig unterrichtet, in der neunten Klasse absolvieren die Jugendlichen zwei dreiwöchige Berufspraktika, die intensiv vor- und nachbereitet werden.

Die Rabe-Reform löst an den Schulen nicht nur Freude aus. In einer aktuellen, von 16 Stadtteilschulen getragenen Stellungnahme werden die Pläne scharf kritisiert. Die Schulen werfen Rabe vor, sie nicht frühzeitig in die Planungen einbezogen zu haben und nun eine Reform „von oben“ vorzulegen, die „passgenaue Lösungen“ zugunsten eines Einheitskonzepts verhindere.

„Gewachsene Konzepte“ der Berufsvorbereitung an den Schulen, die sich über Jahre bewährt hätten, könnten nun nicht beibehalten werden. Rabe hingegen verteidigt sein zentralistisches Reformprojekt: „Die Berufsvorbereitung ist zu wichtig – da kann ich nicht sagen, jede Schule soll machen, was sie will.“

Zusammenarbeit: Unterstützt werden sollen die Stadtteilschulen von den neu gegründeten Jugendberufsagenturen.

Erweiterung: Mittelfristig will Schulsenator Rabe eine verbindliche Berufsorientierung auch auf die Studienstufen der Stadtteilschulen und Gymnasien ausdehnen.

Angebot: Die Handwerkskammer unterstützt Rabes Reformpaket mit einer neuen Online-Börse für Betriebspraktika unter //Zusammenarbeit::www.praktikum-handwerk.de.

Durch diese Gängelung aber, so der Vorwurf der Schulen, würden die Stadtteilschulen im Vergleich zu den Gymnasien „geschwächt – nicht gestärkt“. Das betont auch die schulpolitische Sprecherin der GAL, Stefanie von Berg: „Für Eltern, die auf ein Abitur für ihr Kind setzen, wird die Stadtteilschule mit diesem Konzept unattraktiver.“ Auch ihre CDU-Kollegin Karin Prien befürchtet, dass die Lerntage Zeit für die Vermittlung des Lernstoffs stählen und deshalb Eltern künftig „leistungsstarke Kinder nicht auf die Stadtteilschule schicken“.

Auf besondere Kritik der Schulen stößt, dass die Schüler Ende der neunten Klasse eine Vorentscheidung über ihre weitere Schullaufbahn treffen müssen: Dies dürfe nicht dazu führen, dass Schüler „von der Möglichkeit der Versetzung in die gymnasiale Oberstufe ausgeschlossen werden“. Rabe hingegen betont, die „Durchlässigkeit“ des neuen Systems sei groß genug, dass sich Jugendliche in der zehnten Klasse noch umentscheiden könnten, ob sie in Richtung Oberstufe oder Berufsausbildung marschieren.

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