Schulkampf: Die Krux mit den Eltern
Schulsenatorin Goetsch besucht eine Starter-Primarschule und verteidigt die Lösung beim Elternwahlrecht. Dieses würde die SPD anders regeln - sagt aber nicht, wie.
"Felix dies tibi sit", singen die Viertklässler der Primarschule Grumbrechtstraße, als Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) zu Besuch ist. "Das heißt: Du sollst einen schönen Tag haben", übersetzt eine Schülerin dem Lateinlehrer aus dem benachbarten Friedrich-Ebert-Gymnasium. Der kommt ein paar Mal die Woche herüber, um hier die Kinder im Rahmen eines "Sprachenkarussells" mit dem Lateinischen vertraut zu machen.
Und ja: Schön begann er auch, der gestrige Freitag, für die Senatorin. Als sie um halb neun Uhr früh vor die Hamburger Schulleiter trat, um zu erklären, wie es weitergehe mit der Primarschule, erntete sie Applaus. "Wir sind gut im Zeitplan", sagte sie später: Bildungspläne sind fertig, Baumaßnahmen laufen an, Prüfungsordnungen sind in Arbeit. Allein 6.200 Lehrer nahmen im vergangenen halben Jahr an Fortbildungen teil. "Es gibt eine große Bereitschaft, sich vorzubereiten", so Goetsch.
Sie werde jetzt kämpfen, auch das sagte sie. Man werde erleben, wie sie Seit an Seit mit dem Bürgermeister an Infotischen stehe. Und sollte wirklich der "Worst Case" eintreten und die Volksinitiative der Reformgegner gewinnen, würden halt nach dem Sommer die 4. Klassen mit neuem Bildungsplan starten. Die Strukturänderung für Klasse 5 und 6 sind erst für 2011 und 2012 geplant.
Für Schulleiter Reiner Kühlke ist es unvorstellbar, dass die Primarschule nicht kommt, wo sie doch in der Grumbrechtstraße sogar ein Jahr früher startet. Auf einer großen Tafel erklärt er, wie sein Team den Wechsel vorbereitet. Je neun Wochen lang schnuppern die Schüler in Französisch, Englisch, Spanisch und Latein hinein. "Die Kinder erfahren die Sprache emotional", sagt der Direktor. Danach dürfen sie selber die Fremdsprache wählen - nicht die Eltern. Auch Kunst, Musik und Naturwissenschaft wird vertieft in Klasse 4, dank einer Kooperation mit der TU Harburg können die Schüler auch experimentieren. Das Konzept überzeugt offenbar: 60 Kinder sind für die 5. Klasse angemeldet.
Der Blick in die Zeitungen vom Freitag war weniger schön für Goetsch. Schulkampf tobt: Das von Schwarz-Grün geplante Elternwahlrecht sei eine "Mogelpackung", titelte Bild. Offenbar sind die Zweifel, die "Wir wollen lernen"-Sprecher Walter Scheuerl gesät hatte, aufgegangen. Er spricht von "zwei Klassen Wahlrecht", wenn Kinder ohne Empfehlung bei schlechten Leistungen am Ende der 7. Klasse das Gymnasium wieder verlassen müssen, während Kinder mit Empfehlung bleiben können.
Das sieht auch die SPD-Fraktion so: "Herr Scheuerl hat Recht, so leid es uns tut", sagt Sprecher Chistoph Holstein. Am Mittwoch werde man dem Senat eine eigene Lösung zum Elternwahlrecht vorstellen. Welche, ist offen.
"Es ist eine Krux", sagt Dora Heyenn von der Linksfraktion. Führe man das Probejahr konsequent für alle Siebtklässler ein, dann bliebe die eigentliche Reform der Gymnasien auf der Strecke, Kinder nicht mehr abzuschulen und statt dessen individuell zu fördern.
"Wir haben es uns früher oft zu einfach gemacht und gesagt, wenn ein Schüler nicht spurt, kommt er hier raus", sagt Egon Tegge vom Goethe-Gymnasium. Er nennt Scheuerls Kritik unverhältnismäßig. Künftig werde es nur sehr wenig Streitfälle geben, weil Grundschulen und Gymnasiallehrer die Prognose gemeinsam treffen.
So argumentiert auch Goetsch: "Es ist eine Erfahrung aus allen Nachbarländern, dass sich nach Klasse 6 viel weniger Eltern gegen die Entscheidung der Schule wenden." Eine Abschulung im größeren Stil dagegen belaste die Stadtteilschulen.
Für optimal hält nicht mal die Schulbehörde die Lösung - aber für die beste in dieser Lage.
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