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SchulenPauker bald besser geschult

Berlin will die Lehrerausbildung reformieren: Mehr Praxis- und Realitätsbezug soll diese haben. Eine Expertenkommission erarbeitet bis September Empfehlungen.

Lehrer bei der Arbeit: Nicht immer auf dem neuesten Stand. Bild: AP

Eine Expertenkommission soll helfen, die Lehrerausbildung in Berlin zu reformieren. Deren Aufgaben und Leiter stellte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Freitag vor. Die Expertise des Erziehungswissenschaftlers Jürgen Baumert war schon unter Scheeres’ Vorgänger Jürgen Zöllner bei der Berliner Schulreform gefragt. Baumert war bis 2005 geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin, das die internationalen Pisa-Bildungsvergleichsstudien in Deutschland durchführt.

Die Berliner Schulreform lobte Baumert als „Schritt zu einem modernen und sicheren Schulsystem“, den sonst „kein Bundesland in dieser Konsequenz getan“ habe. Nun müssten „Lehrerbildung und Schulstruktur kompatibel“ werden. Mit der Schulreform hat Berlin sein Schulsystem 2010 auf zwei Typen reduziert, die beide den Weg zum Abitur ermöglichen sollen: das Gymnasium nach 12, die Sekundarschule nach 13 Schuljahren. Dies stelle Lehrkräfte vor neue Herausforderungen, so Senatorin Scheeres: Etwa durch die nötige Binnendifferenzierung im Unterricht, die es ermöglichen soll, SchülerInnen unterschiedlicher Leistungsfähigkeit in einer Klasse zu fördern, die früher auf verschiedene Schultypen verteilt worden wären. Auch der Ganztagsbetrieb, der an allen Sekundarschulen und einem Gymnasium pro Bezirk eingeführt wurde, verändere den Arbeitsalltag der Lehrkräfte, so Scheeres. Überdies erforderten neue Anforderungen wie etwa die bevorstehende Inklusion von SchülerInnen mit Behinderungen oder Lernschwierigkeiten in das Regelschulsystem eine Reform des Ausbildungssystems.

Studiengänge verzahnen

Auf dem Prüfstand steht dabei unter anderem die Organisation des Studiums, das seine letzte Reform, die Umstellung vom Staatsexamen auf Bachelor- und Masterabschlüsse, noch kaum verkraftet hat. Beide Studiengänge sollen besser verzahnt, mehr Praxis in den Bachelor integriert werden, der Master gar ein ganzes Praxissemester bekommen. Zudem werde über eine Eignungsfeststellung von BewerberInnen für Lehramtsstudiengänge nachgedacht: „Da haben wir derzeit allerdings noch keine Erkenntnisse, wie vorhersagefähig bisher praktizierte Verfahren sind.“ Er setze eher auf „gute Beratung“ bei der Studienwahl als auf Eignungstests, so Baumert.

Dass neben Baumert ausschließlich WissenschaftlerInnen aus anderen Bundesländern der Kommission angehören, kritisiert die Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Ebenso, dass PraktikerInnen wie Studierende, Referendare und VertreterInnen der schulpraktischen Seminare, die diese betreuen, fehlten. Es sei „klug, die Kommission nicht mit Mitgliedern aus dem eigenen Land zu besetzen“, kontert Baumert. Ortsferne seien „nicht in Netzwerke eingebettet und damit unabhängiger“. Vertreter der Lehrerausbildung aller Berliner Hochschulen und der schulpraktischen Seminare seien „ständige Gäste der Kommission“.

Bis September hat die Kommission Zeit, Empfehlungen zu formulieren. Für Scheeres steht fest: „Das wird auf jeden Fall eine der großen Reformen sein.“

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2 Kommentare

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  • CS
    claus schäfer

    Es ist immer wieder erschütternd feststellen zu müssen, wie sehr die Menschen in Deutschland auch in einem so kritischen Blatt wie der TAZ zum Themenbereich "Bildung" verschaukelt werden:

     

    1. Mit der Architektur der Pisa - Studie beweist Baumert doch, dass er den Inhalt des Begriffs Bildung überhaupt nicht verstanden hat! Mit Pisa wird Bildung ganz sicher nicht erschlossen. Dass Baumert tatsächlich einem Institut vorsitzt, das den Begriff "Bildung" im Namen trägt, ist an Hohn nicht zu übertreffen. Da dreht sich so manch deutscher Bildungsexperte vergangener Tage im Grabe um ...

     

    2. Der Titel des Artikels unterstellt, dass die "Pauker" schlecht beschult sind. Das dürfte Insider nicht wirklich wundern, denn bekanntermaßen sind die Arbeitsbedingungen für Lehrer in Berlin die schlechtesten bundesweit, knapp gefolgt von Hamburg. Insbesondere wegen der unterirdischen Bezahlung, aber auch des Rests der "Arbeitsumgebung", nicht zuletzt der Ausbildungsbedingungen im Referendariat. Da wurde doch an allem gespart wo es nur geht.

    Die besten unter den Absolventen suchen dann natürlich nach Abschluss der Ausbildung das Weite, zurück bleiben die, die sonst nirgends unterkommen oder die Absolventen mit schwächeren Ergebnissen aus anderen Bundesländern. Dass die nicht zu den Höchstqualifizierten gehören ist selbstgewählte Bedingung der Arbeitgeber - also der Schulbehörde Berlins - offensichtlich nicht anders gewollt. Nun mit großem Trara mit Hinweis auf schlecht ausgebildete Lehrer eine Ausbildungsoffensive - ausgerechnet auch noch unter der Führung von Baumert - ist an Ironie kaum zu übertreffen. Die Verantwortung wird mal wieder auf die Opfer abgewälzt - und der Bock zum Gärtner gemacht. Ein überaus kabarettreifes Szenario ...

    Eine ähnliche Entwicklung ist zur Zeit in Hamburg zu beobachten. Auch dort verlassen nach drastischer Arbeitszeiterhöhung (im Bundesvergleich bis zu 40% mehr Unterrichtsstunden pro Woche), Streichung des Uraubsgeldes und Kürzung des Weihnachtsgeldes um 50% natürlich zuallererst die Besten das sinkende Schiff. Auch weil die wissen, was ihre Arbeit WIRKLICH wert ist ... ich warte auf den Tag, an dem die Hamburger Schulbehörde die geringe Qualifizierung der verbliebenen Lehrer beklagt ...

     

    Claus Schäfer

  • I
    ich

    "Die Berliner Schulreform lobte Baumert als „Schritt zu einem modernen und sicheren Schulsystem“, den sonst „kein Bundesland in dieser Konsequenz getan“ habe."

     

    ...Brandenburg? Alle im Artikel beschriebenen Schritte wurden bereits vor Jahren in Brandenburg in die Tat umgesetzt (Sekundarschule, Praxissemester, mehr Praktika im Allgemeinen, Binnendifferenzierung). Es stößt immer sauer auf, wenn sich Menschen Ideen groß auf die Fahnen schreiben, die zum Einen wenig innovativ sind -- weil sie sich schlicht von alleine erschließen (mehr Praxis) -- und zum Anderen bereits von anderen niedergeschrieben und umgesetzt wurden.

     

    Ich begrüße die oben beschriebenen Schritte außerordentlich -- frage mich jedoch, weshalb man nicht eifach bei der Wahrheit hätte bleiben können.

     

    Ein nachträglicher Hinweis im Artikel auf die Situation in Brandenbrug wäre wünschenswert.

     

    Grüße ich