piwik no script img

SchuleJünger! Schneller! Klüger?

Eine frühe Einschulung hat keine negativen Folgen für die Bildungschancen von SchülerInnen, so eine Studie des Senats. Das Thema spaltet Koalition und Opposition.

Wann ist das beste Alter für die Einschulung? Bild: AP

Das frühe Einschulungsalter der Berliner GrundschülerInnen hat keinen negativen Einfluss auf deren Lernerfolg und Bildungsweg. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Berliner Instituts für Schulqualität (ISQ), die Bildungskarrieren von 2005 eingeschulten Kindern ausgewertet hat. Die Evaluation, die Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Montag vorstellte, war auf Wunsch der Koalitionsfraktionen von SPD und CDU erstellt worden. Denn die CDU lehnt die einst von Rot-Rot eingeführte Früheinschulung ab.

„Es ist möglich, jüngere Schülerinnen und Schüler zu fördern, ohne dass es zu gravierenden Einbußen in der Bildungskarriere kommt“, fasst Martin Brunner vom ISQ die Evaluation zusammen (siehe Kasten). Seit dem Schuljahr 2005/06 werden Berliner Kinder in dem Jahr eingeschult, in dem sie sechs Jahre alt werden. Berlin hat das bundesweit niedrigste Einschulungsalter.

Dem gegenüber steht eine wachsende Zahl von Rückstellungen. Die stieg seit der Änderung des Einschulungsalters von 5,1 Prozent im Jahr 2008 auf über 13 Prozent 2013. Aber auch da sieht Scheeres kein Problem: Immerhin habe sie zum vergangenen Schuljahr die Rückstellung erleichtert, so die Senatorin. Möchten Eltern ihr Kind ein Jahr länger zu Hause behalten oder in die Kita gehen lassen, reicht seither ein Kreuzchen auf dem Schulanmeldebogen. Die Mehrheit der Kinder werde aber wie vorgesehen eingeschult, so Scheeres.

„Natürlich gibt es bei einer so großen Reform immer aufgeregte Debatten“, sagte sie, „ich spreche mich jedoch dagegen aus, aufgrund eines Bauchgefühls alles über den Haufen zu werfen.“ Es gehe ihr um den „Schulfrieden“: Der ist fragil, denn die vielen Reformen, die im vergangenen Jahrzehnt in Berlin umgesetzt wurden, hat sich eine damals rot-rote Regierungskoalition ausgedacht. Die CDU, seinerzeit Opposition, war fast immer dagegen. Das spaltet bis heute Koalition ebenso wie Opposition.

Früheinschulung

Im 2. Schuljahrgang gebe es einen Leistungsrückstand der jüngeren gegenüber den älteren SchülerInnen von etwa einem Drittel Schuljahr - dieser habe sich im 3. Schuljahr allerdings bereits reduziert, so die Studie des ISQ. Im 8. Schuljahr gebe es dann keine nennenswerten Unterschiede mehr.

Als jünger Eingeschulte gelten Kinder, die im Alter von maximal 5 Jahren und acht Monaten eingeschult wurden. Von ihnen schaffen es laut Evaluation nach der Grundschule mit 52 Prozent sogar etwas mehr aufs Gymnasium als von den älter eingeschulten.

Auch die Verweildauer in der Schulanfangsphase (SAPH) hängt nicht mit dem Einschulungsalter zusammen. Drei Jahre dauert die flexible Anfangsphase maximal, die den unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten der SchülerInnen gerecht werden soll. Die Schnellsten schaffen sie in einem Jahr. Laut Erhebung der Senatsverwaltung brauchen 18,3 % der älteren SchülerInnen drei Jahre für die SAPH, bei den jüngeren seien es etwa 3 Prozent mehr. Die Quote derjenigen, die nur ein Jahr brauchen, liegt in beiden Gruppen gleich hoch: bei 0,7 Prozent. (taz)

Für Katrin Möller, familien- und jugendpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, ist die Evaluation Beleg dafür, dass „Lernerfolg unabhängig vom Einschulungsalter individuell unterschiedlich“ ist. Die CDU mit ihrem Festhalten an einer Wiedererhöhung des Einschulungsalters liege deshalb falsch. Zudem: Würde das Einschulungsalter wieder erhöht, erfordere das „Tausende zusätzliche Kitaplätze, die wir nicht haben“, so Möller – und für deren Einrichtung auch die Fachkräfte fehlten. Vielmehr sei „zu optimieren, wie Kinder in der Schulanfangsphase gefördert werden können“.

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Stefanie Remlinger, bleibt bei ihrer grundsätzlichen Kritik an der Früheinschulung: „Warum muss man eigentlich Jugendliche mit 15 Jahren auf den Ausbildungsmarkt, mit 17 an die Unis schicken?“ Die seien dann für viele Ausbildungen, etwa in den Bereichen Hotel und Gastronomie, noch zu jung. Der Bildungsweg sei „nicht richtig danach durchdacht, was das Beste für die Kinder ist“, so die Grüne.

Von Scheeres Koalitionspartnerin CDU bekam die taz am Dienstag keine aktuelle Stellungnahme. Es steht aber zu erwarten, dass auch die Evaluation den von der Senatorin ersehnten Frieden nicht herbeiführen wird. Denn erst vor einer Woche hatte CDU-Fraktionschef Florian Graf die Früheinschulung erneut für „gescheitert“ erklärt: Die CDU wolle die Regelung „noch in dieser Wahlperiode“ korrigieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!