Schuldenkrise in Griechenland: Soldaten an die Müllfront
Weil die Müllwerker streiken, herrscht in Athen der Abfallnotstand. Das Gesundheitsamt warnt bereits vor Seuchen. Jetzt sollen Soldaten und Privatfirmen helfen.
Die Bestätigung kam prompt aus dem Verteidigungsministerium: Militärwagen und 170 Fahrer werden der Regierung zur Verfügung gestellt, damit die Müllberge im verpesteten Athen endlich verschwinden. Wehrpflichtige werden erst einmal nicht eingesetzt, die Entsorgung übernehmen Privatfirmen. Wenige Stunden zuvor hatte der Bürgermeister der griechischen Hauptstadt, Giorgos Kaminis, in einem dramatischen Appell die Regierung zu raschem Handeln aufgefordert.
Nur die Armee könne weiterhelfen, erklärte Kaminis sinngemäß im griechischen Fernsehen. Die Müllberge würden immer weiter wachsen, die Streikenden würden nicht einmal in Schulen und Krankenhäusern den Müll abholen. Schon in den siebziger Jahren wurden Soldaten immer wieder als Müllentsorger zwangsverpflichtet. Heute gilt ein Militäreinsatz an der Müllfront als verfassungsrechtlich bedenklich. Eigentlich. Nach griechischen Medienberichten wird ernsthaft erwogen, in Athen und in Thessaloniki den Notstand auszurufen, damit der Armeeeinsatz staatsrechtlich gerechtfertigt wird.
Mindestens 10.000 Tonnen Müll liegen derzeit auf den Straßen der griechischen Hauptstadt. Fußgänger erkämpfen sich ihren Weg durch die Müllsäcke, streunende Katzen wühlen in den Abfallbergen. Bereits am vergangenen Donnerstag warnte das Gesundheitsamt vor Typhuserkrankungen und Darminfektionen.
Daraufhin setzte sich Innenminister Haris Kastanidis erstmals für die Privatisierung der Abfallentsorgung ein und ließ andeuten, er würde die streikenden Stadtangestellten entlassen. "Es wird Blut fließen, falls Privatunternehmer eingreifen", antwortete ihm wortwörtlich der Gewerkschaftsführer Vassilis Polymeropoulos. Am Montagmittag hat es fast danach ausgesehen: Unbekannte attackierten Müllarbeiter privater Firmen in der Athener Vorstadt Nea Ionia und setzten einen Müllwagen in Flammen, der Fahrer des Fahrzeugs konnte erst im letzten Moment entkommen.
Vom Brutto bleibt kaum Netto übrig
Beide Seiten sind offenbar der Auffassung, sie hätten nichts zu verlieren: Die Regierung glaubt die Bevölkerung hinter sich zu wissen; die Streikenden meinen, sie müssten ums Überleben kämpfen.
Die städtischen Müllwerker sind ohnehin unzufrieden mit ihrem Gehalt, das nach eigenen Angaben nicht mehr als 900 Euro netto beträgt - trotz Überstunden und Wochenendarbeit. Viele beklagen finanzielle Altlasten aus der Zeit vor der Schuldenkrise. Damals wurden vielen Stadtangestellten Hauskredite angedreht, die sie heute noch per Dauerauftrag abbezahlen. Doch mittlerweile wurde ihr Einkommen stark gekürzt.
Zudem schlagen neue, teils rückwirkende Steuern zu Buche, die direkt vom Gehaltskonto abgebucht werden. Folge ist, dass vom Brutto kaum Netto übrig bleibt. Ein Vorarbeiter der Müllabfuhr erklärte der linksliberalen Zeitung Eleftherotypia, nach Abzug der Hauskreditrate sowie aller Steuern und Sonderabgaben würde sein Monatsgehalt 1,01 Euro betragen. Ein einfacher Müllentsorger kam auf genau 0,31 Euro - bei einem Bruttogehalt von 1.157 Euro. Beide Seiten - Regierung und Streikende -glauben, sie hätten nichts zu verlieren.
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