Schulden vergemeinschaften: Wirtschaftsweise fordern Euro-Fonds
Die Sachverständigen plädieren für einen "Schuldentilgungsfonds" – ein Modell, das der Idee der Eurobonds ähnelt. Kanzlerin Merkel ist skeptisch.
BERLIN taz | Mit einem neuen Modell zur Lösung der europäischen Schuldenkrise haben die sogenannten Wirtschaftsweisen die Bundesregierung offenbar überrascht. Erstmals plädieren die Wissenschaftler, die die Bundesregierung in wirtschaftlichen Fragen beraten, darin für eine gemeinsame Haftung für einen Teil der Schulden der Euro-Staaten.
Für den Fall, dass die bisherigen Rettungspläne nicht ausreichen, schlagen die Wirtschaftsweisen einen Schuldentilgungsfonds vor. In diesen sollen alle Eurostaaten den Teil ihrer Schulden einbringen, die oberhalb von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen.
Auslaufende Staatsanleihen würden dabei durch neue gemeinsame Anleihen ersetzt, die wegen der gemeinsamen Haftung niedrige Zinsen hätten, sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Insgesamt käme der Fonds auf ein Volumen von 2,3 Billionen Euro; der größte Anteil entfiele auf Italien, Deutschland und Frankreich.
Im Gegenzug für die gemeinsame Haftung müssten sich alle teilnehmenden Staaten strengen Bedingungen unterwerfen: Dazu gehört neben einer in der Verfassung festgeschriebenen Schuldenbremse und einer teilweisen Verpfändung ihrer Währungsreserven auch ein Aufschlag auf die Mehrwert- oder Einkommensteuer, der nicht in den allgemeinen Haushalt fließt, sondern direkt dem Tilgungsfonds zugutekommt, erläuterte der Vorsitzende der Sachverständigen, Wolfgang Franz.
Auf diese Weise soll der Fonds über einen Zeitraum von 20 bis 25 Jahren komplett getilgt werden. Durch die Begrenzung von Umfang und Dauer wäre ein solcher Fonds mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Budgetverantwortung des Bundestags vereinbar, sagte Franz.
Die Kanzlerin ist skeptisch
Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte bei der Übergabe des Gutachtens durch die Sachverständigen skeptisch auf den Vorschlag. Er würde "eine Vielzahl von Vertragsveränderungen" auf EU-Ebene voraussetzen und sei "im operativen Geschäft nicht machbar".
Der finanzpolitische Sprecher der Linken, Axel Troost, begrüßte hingegen die "Erkenntnis, dass es einen kollektiven Lösungsansatz geben muss". Notwendig seien aber ein stärkerer Ausgleich und die Finanzierung über eine Vermögensabgabe statt über höhere Einkommen- oder Verbrauchssteuern.
Auch der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick, sieht in dem Vorstoß eine notwendige Reaktion auf die "Sackgasse" in der sich die Politik befinde. "Es ist richtig, in Überlegungen zu gehen, die europäische und nationale Anleihen parallel ermöglichen", sagte er.
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