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Schuierer droht Disziplinarstrafe

Verfahren gegen den Schwandorfer SPD-Landrat, der mit Kritik an Wideraufarbeitungsanlage, Polizei und Staatsregierung Dienstvergehen begangen haben soll / Gericht legt Einstellung des Verfahrens nahe  ■  Aus Regensburg Bernd Siegler

„Im Zweifel für die Freiheit“ forderte der Verteidiger des Schwandorfer SPD-Landrats Hans Schuierer (58) einen klaren Freispruch für den entschiedenen WAA-Gegner. Die Regierung der Oberpfalz, die auf Weisung des bayerischen Innenministeriums das Disziplinarverfahren gegen den seit 17 Jahren amtierenden Landrat eingeleitet hat, forderte die Verhängung einer Disziplinarstrafe. Schuierer soll mit seiner Kritik an der bayerischen Staatsregierung, dem verstorbenen Ministerpräsidenten Strauß, der Polizei und den WAA-Betreibern (siehe taz vom 7.4.) fünf Dienstvergehen begangen haben. Der Landrat wies jede Schuld von sich. Bei einer Verurteilung wolle er „nicht mehr länger gerne Landrat sein“, sagte der SPD-Landrat.

Seit 1985 ermittelt die Regierung der Oberpfalz gegen den zur Symbolfigur des WAA-Widerstands gewordenen Landrats, der im überfüllten Saal kurz vor der Verhandlung mit rhythmischem Klatschen empfangen wurde. Noch vor Verlesung der Schuierer vorgeworfenen Tatbestände versuchte der Vorsitzende Richter der 10.Kammer des Regensburger Verwaltungsgerichts, Peter Kadlubsky, die Problematik des bislang in Bayern bedeutendsten Disziplinarverfahrens zu umreißen. Einerseits sei ein Landrat in Bayern ein gewählter Beamter, der also auch parteipolitisch auftreten können muß, auf der anderen Seite ist er seinen Dienstherrn, dem Landkreis, dem Freistaat Bayern sowie der BRD verpflichtet und unterliegt damit als Beamter dem politischen Mäßigungsgebot.

Schuierers Verteidiger Albert Schmid, ehemaliger Wohnungsbaustaatsskretär, wies in seinem Plädoyer darauf hin, daß der bayerische Landtag bewußt im Jahr 1964 auf die Aufnahme dieses politischen Mäßigungsgebotes in die gesetzlichen Bestimmungen zu den kommunalen Wahlbeamten verzichtet hat. „Zu einem Landrat gehört eine umfassende politische Betätigung.“ Schuierer sei immer als SPD -Politiker aufgetreten, deswegen fallen seine inkriminierten Verhaltensweisen und Äußerungen ganz eindeutig in den außerdienstlichen Bereich.

Dem widersprach der Vertreter der Regierung der Oberpfalz Ernst Wirner entschieden. Ein kommunaler Wahlbeamter unterliege dem Gebot der Mäßigung, um sich nicht bewußt in die Gefahr der Befangenheit zu begeben, sondern „dem ganzen Volke dienen zu können“. Wirner warf dem Landrat vor, sich einer Bewegung gegen ein Bauprojekt angeschlossen zu haben, bei dessen Genehmigung seine Behörde eingebunden sei. Damit habe er sich einseitig gegenüber dem Antragsteller, den Bauherren der Wiederaufarbeitungsanlage, festgelegt. Er habe das „Bild vom unparteiischen Landrat verletzt“ und durch seine öffentlichen Appelle „der Achtung und dem Vertrauen, die für das Amt des Landrats erforderlich sind, geschadet“. Mit seiner Kritik an Strauß („brutaler Zynismus“, „CSU -Demokratur“) soll Schuierer seine „Illoyalität“ gegenüber der Staatsregierung unter Beweis gestellt haben.

Diesen Ausführungen widersprach der zweite Anwalt Schuierers, Helmut Schreiner, vehement. „Was soll dann ein Landrat überhaupt noch sagen dürfen, wenn alles, was er macht, dienstlich ist?“ Dadurch daß Schuierer auf die Risiken und Gefahren hingewiesen habe, die von der WAA ausgehen, habe er sich als „pflichtbewußten Beamten“ gezeigt. „Man will hier ein Exempel statuieren“, vermutete sein Kollege Schmid.

In seinem Schlußwort beklagt sich Schuierer über die fast fünf Jahre andauernde Beobachtung, Verfolgung und Aushorchung seiner Person. „Wenn ich nicht WAA-Gegner wäre, hätte niemand wegen meiner Äußerungen auch nur ein Wort gesagt.“ Zur Überraschung aller Verfahrensbeteiligten bat Richter Kadlubsky die Vertreter der Regierung der Oberpfalz, über eine Einstellung des Verfahrens intensiv nachzudenken. „Das Gericht würde sie sehr befürworten.“ Sollte es zu keiner Einstellung kommen, wird das Urteil am 17.April verkündet.

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